taz.de -- Luftangriff bei Aleppo: Türkei tötet kurdische Kämpfer
Türkische Flugzeuge nehmen in der Nacht Rebellenziele ins Visier. Für die USA sind die kurdischen Einheiten aber die effektivste Waffe im Anti-IS-Kampf.
Ankara/Beirut ap | Die Kurdenmilizen in Syrien haben türkische Angaben über hohe Verluste bei Aleppo dementiert. Bei den türkischen Luftangriffen seien lediglich zehn Kämpfer ums Leben gekommen, sagte ein Kommandeur der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) der Nachrichtenagentur AP. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu hatte von bis zu 200 Toten berichtet.
Der Kurdenkommandeur erklärte am Donnerstagvormittag, dass die türkischen Luftangriffe immer noch weitergingen. Nach Angaben von Anadolu hatten sie in der Nacht begonnen und Stellungen der kurdischen Milizen in der Gegend um Maarat Umm Hausch zum Ziel gehabt.
Die türkische Luftwaffe hat zuvor erklärt, bei einem Angriff nördlich der umkämpften Stadt Aleppo bis zu 200 syrisch-kurdische Kämpfer getötet zu haben. Die Flugzeuge hätten in der Nacht zu Donnerstag 18 Ziele der Rebellen in der Region Maarat Umm Hausch ins Visier genommen, das berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die USA sehen in den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) in Syrien die effektivste Kraft im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.
Die gut ausgebildete und organisierte Rebellengruppe ist seit 2015 Partner der USA im Kampf gegen die Extremisten. Damals befreiten sie die Stadt Kobane. Ankara betrachtet die syrisch-kurdischen Truppen dagegen als Ableger der als Terrororganisation eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei. Diese hatte in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Anschlägen in der Türkei verübt.
Ende August hatte US-Verteidigungsminister Ashton Carter die Regierung in Ankara und die kurdischen Kämpfer aufgefordert, sich nicht länger zu bekämpfen. Sonst litten die Bemühungen, den IS zu zerschlagen.
In Aleppo selbst trat um 08.00 Uhr eine elfstündige Waffenruhe in Kraft (Ortszeit, 7.00 bis 18.00 Uhr deutscher Zeit). Das hatte Russland am Mittwoch angekündigt. Zuvor waren bereits die Luftangriffe der russischen und syrischen Kampfflugzeuge gestoppt worden.
Hollande fordert Ende der Bombardements
Nach [1][einem Treffen in Berlin] sagte der französische Präsident François Hollande am frühen Donnerstagmorgen, das wichtigste sei ein Ende der Bombardements russischer und syrischer Flugzeuge. Was in Aleppo passiere, sei ein Kriegsverbrechen. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, Russland könnte die Luftangriffe dauerhaft einstellen. „Wir sind bereit, das zu tun, so lange es keine Kämpfe mit eingeschlossenen Rebellengruppen in Aleppo gibt“, sagte er.
In der Stadt belagern syrische Truppen mit russischer Unterstützung Rebellen in den östlichen Vierteln. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind zur humanitären Versorgung der Bevölkerung mindestens 48 Stunden Waffenruhe nötig. Experten mutmaßen, dass Russland und Syrien einen dauerhaften Waffenstillstand so lange hinauszögern, bis sie die Rebellengebiete erobert haben.
Der syrische Präsident Baschar al-Assad bezeichnete die syrische Rettungsgruppe Weißhelme als verkappte Terroristen. Die Gruppe bestehe aus „aufgehübschten“ Extremisten mit Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida, sagte Assad dem Schweizer Fernsehsender SRF. Im September hatte Assad der mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Gruppe in einem Interview der Nachrichtenagentur AP vorgeworfen, dass sie nur Aktionen syrischer und russischer Militärs kritisiere, nicht aber Terroristen. Die Bezeichnung Terroristen benutzt Assad für alle Gegner seiner Regierung.
20 Oct 2016
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Mord am russischen Botschafter überschattet die Gespräche zur Lage in Syrien. Kurz nach dem Attentat fielen vor der US-Botschaft in Ankara Schüsse.
Bei einer Ausstellungseröffnung in Ankara wird der russische Botschafter niedergeschossen. Das könnte sich auf die Beratungen über Syrien auswirken.
Im Norden Syriens sind drei türkische Soldaten getötet und mehrere verletzt worden. Die Türkei macht syrische Luftangriffe dafür verantwortlich.
Sunniten, Schiiten, Araber und Kurden kämpfen gemeinsam im irakischen Mossul und im syrischen Rakka. Was kommt nach dem Sieg?
Fast zeitgleich mit Mossul wollen die syrischen Kurden auch die inoffizielle IS-Hauptstadt al-Rakka zurückerobern. Die Türkei ist davon nicht begeistert.
Mehrere Selbstmordattentäter haben im kurdisch geprägten Kirkuk sowie in Dibis im Nordirak verschiedene Ziele angegriffen.
Die Syrische Armee und russische Verbündete öffnen Korridore in Aleppo, damit Menschen fliehen können. Ein EU-Gipfel droht Assad-Unterstützern mit Sanktionen.
Merkel, Putin und weitere europäische Spitzenpolitiker diskutieren in Berlin stundenlang über die Krisenländer. Mit einem ernüchternden Ergebnis.
Abgeordnete diskutieren über Maßnahmen gegen die russischen Angriffe auf Aleppo. Die Meinungen sind gespalten: Sanktionen sind gut. Reden auch.
Während einer Kundgebung in Diyarbakir wurde er von einer Tränengasgranate getroffen. Jetzt gibt Straßburg den Angehörigen des Kurden recht.
Unter den Mitgliedsländern der EU gibt es keine Einigkeit über neue Russland-Sanktionen. Großbritannien friert alle „Russia Today“-Konten ein.
Die Offensive auf die IS-Hochburg Mossul steht kurz bevor. Die beteiligten Koalitionsparteien haben jedoch gegensätzliche Interessen.
Am Mittwochabend wurde ein von Kurden kontrolliertes Gebiet von der Türkei beschossen. Am Morgen danach bombardierte Israel eine Basis der syrischen Armee.