taz.de -- Wohnungsbau & Rot-Rot-Grün in Berlin: Genossen, da geht noch mehr!

Bei den Koalitionsverhandlungen am Freitag geht es auch darum, wie das Land Genossenschaften fördert. Der Blick nach München zeigt: Es gibt Luft nach oben.
Bild: Auch Genossenschaften sollten neue Wohnungen bauen, um die Mieten stabil zu halten

Eine schöne Zwei-Zimmer-Wohnung im begehrten Kiez an der Weserstraße in Neukölln: 66 Quadratmeter, alte Dielen, Balkon. Trotzdem zahlt das Paar, das hier gerade eingezogen ist, nur eine Kaltmiete von 414 Euro. Die Wohnung gehört einer Genossenschaft. Es gibt keinen einzelnen Eigentümer oder Investor, der Gewinne abschöpfen will. Die Genossen entscheiden selbst, wie sich die Miete entwickeln soll, wofür Einnahmen verwendet werden. Deshalb sind die NeubewohnerInnen auch in Zukunft vor unvermuteten Mietsteigerungen sicher.

Ein Zustand, von dem viele BerlinerInnen nur träumen können. Wenn die VertreterInnen von Rot-Rot-Grün in den Koalitionsverhandlungen am heutigen Freitag über die zukünftige Wohnungsbaupolitik in der Stadt sprechen, dann geht es auch um die Frage, ob gemeinschaftliche Wohnformen wie Genossenschaften dabei eine Rolle spielen.

In Berlin gibt es derzeit mehr als 80 Wohnungsbaugenossenschaften. Sie verfügen über knapp 190.000 Wohnungen. Das sind rund 12 Prozent aller Mietwohnungen der Stadt, im bundesweiten Vergleich ein relativ hoher Wert.

Von den 50.000 neuen Wohnungen, die Bausenator Andreas Geisel (SPD) an zwölf Neubaustandorten bauen will, sollen 5.000 durch Genossenschaften entstehen. „Insgesamt hat das Land Berlin in den letzten fünf Jahren 25 Grundstücke an Genossenschaften verkauft“, sagt Geisels Sprecher Martin Pallgen.

Dass da mehr geht, zeigt ein Blick nach München: Dort ist es erklärtes Ziel der rot-schwarzen Regierung, dass bei Neubauvorhaben auf 20 bis 40 Prozent der städtischen Flächen „gemeinschaftlich orientierte Wohnformen“ entstehen. Die Flächen werden nicht nach dem höchsten Preis, sondern nach dem besten Konzept vergeben.

Baustadträtin Elisabeth Merk (parteilos) sagt, zu funktionierenden Quartieren gehörten nicht nur Wohnungen, sondern auch Arbeitsmöglichkeiten, Bildungseinrichtungen, Freiraum, kurze Wege und mehr. „Unsere Erfahrung ist, dass private Investoren an der Entwicklung des Umfelds wenig Interesse haben. Diese Dinge mitdenken, das machen nur Genossenschaften.“

Niedrige Mieten sichern

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) fordert, dass Berlin für Genossenschaften mehr tun sollte. Selbst bei Neubauprojekten seien die Mieten bei Genossenschaften am Ende mit 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter deutlich günstiger als auf dem freien Markt, sagt Sprecher David Eberhart. Er fordert: „15 bis 20 Prozent des öffentlichen Baulandes sollten Genossenschaften angeboten werden.“

In den Koalitionsverhandlungen lag das Thema vor allem den Grünen am Herzen. Nach taz-Informationen ist nun Konsens, dass landeseigene Grundstücke an am Gemeinwohl orientierte Träger vergeben werden sollen. Zu denen zählen auch Genossenschaften. Die sollen wiederum einen Teil der Wohnungen Empfängern von Transferleistungen zur Verfügung stellen. Es wurde auch diskutiert, genossenschaftliche Neugründungen über Bürgschaften zu fördern. Das lehnte die SPD aber ab.

4 Nov 2016

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Antje Lang-Lendorff
Uwe Rada

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