taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Neubau ist nicht alles

Die Spannung ist groß vor der Verhandlungsrunde am Freitag: Denn Linke und Grüne bremsen die SPD bei deren Lieblingsthema Wohnungsneubau.
Bild: Bei Anwohnern natürlich nicht sonderlich beliebt: Protest gegen Wohnungen in der Elisabeth-Aue

Mal sehen, ob die Stimmung am heutigen Freitag besser wird. In der Fachgruppe Stadtentwicklung war sie jedenfalls, so ist aus Koalitionskreisen zu hören, nicht zum Besten. Das lag auch daran, dass die SPD den beiden künftigen Koalitionspartnern gegenübergetreten sei wie Oppositionsparteien.

Genutzt hat die Autoritätsoffensive der Sozialdemokraten aber nur bedingt. Beim Bauen etwa haben sich die Sozialdemokraten nicht damit durchsetzen können, zu den bisher zwölf geplanten Neubaustandorten mit einer Kapazität von 45.000 bis 50.000 Wohnungen vier weitere in den Koalitionsvertrag zu schreiben.

Streit um Baugebiet Elisabeth-Aue

Mehr noch: Auch der Bau von bis zu 5.000 Wohnungen an der Elisabeth-Aue im Norden Pankows war kein Konsens. Nun muss die große Runde am Freitag in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), Klaus Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) über das Prestigeprojekt von Bausenator Andreas Geisel (SPD) entscheiden.

Konsens ist dagegen, die Fördersumme für den Wohnungsbau deutlich zu erhöhen. Wird 2017 noch der Neubau von 3.000 Wohnungen öffentlich gefördert, sollen es ab 2018 dann 5.000 pro Jahr werden. Der Großteil der Förderung wird wohl an die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehen, die bis 2021 insgesamt 30.000 Wohnungen neu errichten sollen, das macht stattliche 6.000 pro Jahr.

Linke scheitert mit Vorstoß

Davon sollen nicht wie bisher ein Drittel, sondern die Hälfte der Wohnungen bezahlbar sein. An der Definition dessen, was der Senat für bezahlbar hält, ändert sich nichts: Es bleibt bei einer angestrebten Miete von 6,50 Euro pro Quadratmeter kalt. Die Linken waren mit einem Euro weniger in die Verhandlungen gegangen.

Zusätzlich zu den 30.000 Neubauten der landeseigenen Gesellschaften sollen 10.000 Wohnungen von privaten Eigentümern gekauft werden. Zusammen mit den 15.000 Wohnungen, die über die Berlinovo, die einstige Bad Bank des Bankenskandals, in den Bestand fließen, hätte Berlin dann 355.000 Wohnungen. Dazu kommen 190.000 Genossenschaftswohnungen. Insgesamt hat Berlin zwei Millionen Wohnungen.

Auch in der Bestandspolitik herrscht weitgehend Einigkeit. So soll die Zahl der Milieuschutzgebiete ausgeweitet werden, um Mieter besser schützen zu können, wenn ihre Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Beim Bund will sich Rot-Rot-Grün dafür einsetzen, die Mietpreisbremse zu verschärfen und die zahlreichen Ausnahmeregelungen zu streichen.

Der Freitag wird also spannend. Denn auch beim Thema Verkehr, wo künftig mehr als 40 Millionen Euro in den Radverkehr pro Jahr fließen sollen, heiß es, ist noch nichts in Stein gemeißelt.

4 Nov 2016

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Uwe Rada

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