taz.de -- Kommentar zu Rot-Rot-Grün in Berlin: Da geht was!
Die laufenden Koalitionsverhandlungen in der Hauptstadt zeigen: Eine andere Politik ist möglich. Das ist das beste Mittel gegen Demokratieverdrossenheit.
Eine andere Politik ist möglich. Das zeigen die in Berlin laufenden Koalitionsverhandlungen, wo sich SPD, Linkspartei und Grüne auf den Weg gemacht haben, das bundesweit erste rot-rot-grüne Bündnis unter Führung der SPD auf die Beine zu stellen. Dabei hauen die Unterhändler mittlerweile [1][nahezu Tag] für [2][Tag] neue Ergebnisse raus, die atemlos machen.
Da sollen Unis mehr Geld bekommen und Flüchtlinge weitaus seltener abgeschoben werden. Da wird die [3][Rekommunalisierung des Gasversorgers geplant und der Verzicht auf Kohle] zur Stromgewinnung.
Die radikalste Wende aber ist in der Verkehrspolitik geplant. Da geht es nicht nur um den Ausbau von [4][Straßenbahnnetz] und [5][Radwegen]. Die willigen Koalitionäre haben sich auch auf ein verkehrspolitisches Prestigeprojekt geeinigt: der Boulevard [6][Unter den Linden soll für Autos gesperrt werden].
Dadurch entsteht eine anderthalb Kilometer lange Flaniermeile vom Brandenburger Tor bis zum wiederaufgebauten Stadtschloss. Davon profitieren zwar fast nur die Touristen, die durch Berlins Mitte strawanzen.
Nicht zu unterschätzen ist dagegen der Symbolgehalt dieser Entscheidung: Eine radikale Änderung der Verkehrspolitik ist nur möglich, wenn den Autofahrern ihr Platz nicht nur streitig gemacht, sondern ganz weggenommen wird. Hier versucht Rot-Rot-Grün nicht nur wie sonst weithin üblich pragmatische Kompromisse zu finden, sondern setzt Maßstäbe.
Die Opposition schäumt? Gut so!
Kein Wunder, dass die CDU bereits schäumt und vor einer drohenden verkehrspolitischen Umerziehung der Berliner warnt. Sie fürchtet, die ganze Hauptstadt könne zur autofreien Zone werden. Aber das ist auch gut so: Wenn die Opposition nichts zu stöhnen hätte, hätten die Neukoalitionäre versagt.
So aber zeigen sie endlich mal wieder, dass Wahlen etwas ändern können, obwohl sie nicht verboten sind. Etwas besseres kann in Zeiten wachsender Demokratieverdrossenheit gar nicht passieren.
7 Nov 2016
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