taz.de -- Dreckige Schiffe: Kein Diesel ist auch keine Lösung
Die „Linke Hafenkonferenz“ in Hamburg diskutiert Alternativen zur Luftverschmutzung durch Schiffe und zu geheimen Rüstungsexporten über die Häfen.
Hamburg taz | Sie wollten das Thema nicht der Hafenwirtschaft, den Reedern und Investoren überlassen: Parallel zur Welthafenkonferenz in Hamburg haben dort auch die Linksfraktionen in Bürgerschaft und EU-Parlament am Montag und Dienstag eine „Linke Hafenkonferenz“ abgehalten.
Im Fokus stand dabei die Frage, wie sich der Hafen umweltfreundlicher werden könnte - ein Thema jüngst auch bei den Koalitionsverhandlungen von Grünen und SPD: Hamburgs neue Regierungskoalition hat beschlossen, zwecks sauberer Luft nicht nur die relativ wenigen Kreuzfahrtschiffe, die Hamburg anlaufen, mit Strom von Land zu versorgen, sondern auch Containerriesen. Auch sollen Schiffe je nach Umweltstandard höhere oder niedrigere Gebühren entrichten müssen.
Die Probleme eines solchen Konzepts erläuterte Malte Siegert vom Naturschutzbund: So seien viele der Passagierschiffe nicht für die existierende Hamburger Landstromanlage ausgerüstet, und aus technischen Gründen müssten viele Schiffe ihre Maschinen auch dann weiter mit Diesel befeuern, wenn Strom eingespeist wird.
Der Handlungsbedarf ist dabei unbestritten: Passagierliner sind wahre Stromfresser, der Bedarf eines einzigen Kreuzfahrtschiffs entspricht vier Prozent von dem der ganzen Stadt - inklusive der örtlichen Industrie.
Würde Hamburg, so wie es etwa im kalifornischen Oakland schon passiert, 20 bis 25 Landstromanlagen gleichzeitig Energie liefern, würde sich der Stromumsatz glatt verdoppeln. Wollte man alle den Hafen anlaufenden Containerschiffe von Land aus versorgen, würde der Bedarf sich demnach sogar vervierfachen.
„Landstrom allein ist auch keine Lösung“, stellte denn auch der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch am Ende der Debatte fest. Wichtig wäre der Einsatz von schwefelarmem Kraftstoff - das aber wird nur lückenhaft kontrolliert, und wer gegen die schon bestehenden Luftrichtlinien verstößt, dem drohen nur moderate Bußgelder. Gegen teure Rußfilter wiederum wehren sich die Reeder, die in der Branchenkrise kein Geld für „Umweltschnickschnack“ übrig zu haben glauben.
Beim Thema Hafengebühren stellte Nabu-Experte Siegert klar: „Wir brauchen hier eine größere Spreizung, aber Strafaufschläge für besonders umweltfeindliche Schiffe werden nach internationalem Recht nicht möglich sein.“ Auch in dieser Sache also stecke Hamburgs rot-grüne Regierung in einer Sackgasse, befand der Schifffahrtsexperte.
Ein anderes zentrales Thema des Kongresses war der Hafen als Umschlagszentrum für Rüstungsgüter. Hier forderte der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan von Aken, erst einmal für Transparenz zu sorgen: „Alle Fakten liegen vor“, sagte er, „und sie gehören nicht in verschlossene Schubladen, sondern ins Internet.“
In der Tat: Weil jedes zu verschiffende Gut eine Zollnummer erhält, die Inhalt und Ziel der Ware charakterisiert, liegen alle Daten dem Bundesfinanzministerium vor, dem wiederum der Zoll untersteht. „Der Hamburger Senat muss sich dafür einsetzen, dass diese Informationen regelmäßig ins Netz gestellt werden“, forderte van Aken.
Der nächste Schritt wäre, dass die Landesregierung Einfluss auf jene Unternehmen der Hafenwirtschaft nimmt, an denen die Stadt beteiligt ist. Das Ziel: Rüstungsexporte in Krisenregionen oder Kriegsgebiete zu verhindern.
Auch mit der Hafenkooperation in Norddeutschland befasste sich der Kongress: Sollte die vom Senat ersehnte Elbvertiefung vor Gericht gestoppt werden oder aufgrund immer größerer Schiffe wiederum den Hafen nicht langfristig erreichbar machen, werde es - so der Konsens - ohne eine Zusammenarbeit der diversen Häfen und das Umladen von den Containerriesen auf kleinere Schiffe in Wilhelmshaven auf Dauer nicht gehen.
4 Jun 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Kiel soll eine neue Landstromanlage für Fähren nach Norwegen errichtet werden. Die Bundesregierung will damit saubere Energie in norddeutschen Häfen fördern.
In seinem Kreuzfahrt-Ranking 2017 kritisiert der Umweltverband Nabu die miserable Ökobilanz der Luxusliner. Kein Schiff uneingeschränkt empfehlenswert.
Eine Kooperation der norddeutschen Häfen ist nicht möglich, weist ein Gutachten nach, das die Linkspartei beauftragt hat.
Der Hamburger Abgeordnete Jan van Aken will nicht wieder für den Bundestag kandidieren. Da säßen zu viele, die für nichts brennen.
Die Aidaprima, der angeblich umweltfreundlichste Luxusliner und grüner Trendsetter, hat ihren Heimathafen erreicht.
Die Saison der Luxusliner im Norden beginnt. Alle Häfen hoffen auf mehr Schiffe, Umweltprobleme sind trotz neuer Landstromanlage weiter ungelöst.
Hunderttausende Bundesbürger leiden unter zu hohen Belastungen durch Stickoxide, vor allem Anwohner von Hauptstraßen.
Die Nationale Maritime Konferenz droht im Kleinklein zu versinken. Eine maritime Strategie für Deutschlands Häfen ist noch nicht in Sicht
Viele Dieselautos produzieren mehr Schadstoffe als erlaubt. Das Problem liegt in den EU-Zulassungstests, die die Hersteller selbst durchführen.
Der Kreuzfahrt-Boom scheint ungebrochen. Was zieht Menschen auf die schwimmenden Hotels? Und wie beruhigen sie ihr Öko-Gewissen?
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil den Gewässerschutz gestärkt, ein Rückschlag für die Vertiefung von Weser und Elbe.
Eine neue Schiffsverbindung zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven will im Herbst den Betrieb aufnehmen. Der Betreiber setzt auf stark gestiegene Verkehrszahlen.
Trotz heftiger Kritik haben Hamburgs Grüne dem Koalitionsvertrag mit der SPD zugestimmt. Die Sozialdemokraten sind am Dienstag dran.
Am Sonntag will die Mitgliederversammlung der Grünen darüber abstimmen, ob sie ein Regierungsbündnis mit der SPD eingehen oder lieber nicht.
In der Umweltpolitik hat der SPD-Senat gehalten, was er versprochen hatte – nichts. Aus der Umwelthauptstadt wurde eine Stadt, in der Ökologie geächtet ist.
Der Europäische Gerichtshof signalisiert grünes Licht für die Vertiefung von Weser und Elbe für Riesen-Containerfrachter.
Das Bundesverwaltungsgericht verschiebt die Entscheidung über die Elbvertiefung. Zeit für die Nord-Bundesländer, ein nationales Hafenkonzept zu entwerfen.