taz.de -- Griechenland-Hilfe: Schäuble verspricht Billigrettung
Der Finanzminister ist zufrieden: Die neue Hilfe für Athen wird so gestaltet, dass der deutsche Haushalt zunächst nur gering belastet wird. Nach 2014 wird es teuer.
BERLIN taz | Es war wieder mal eine lange Nacht für Wolfgang Schäuble, und eine gewisse Müdigkeit ist nicht zu übersehen, als er am Dienstag in Berlin die Ergebnisse des jüngsten EU-Finanzministertreffens verkündet. Er habe „wenig geschlafen und viel englisch geradebrecht“, entschuldigt Schäuble einen kurzen Aussetzer. Doch die Stimmung des CDU-Bundesfinanzministers leidet darunter nicht.
Kein Wunder. Schäuble hat in Brüssel bekommen, was er wollte: Das neue Griechenland-Rettungspaket ist so gestrickt, dass es Deutschland zunächst kaum etwas kostet.
Jegliche Belastung für den Bundeshaushalt 2013 zu verhindern – wie noch vor einer Woche angekündigt – ist Schäuble zwar nicht gelungen. Doch mit 729 Millionen Euro bleiben die Auswirkungen zunächst recht übersichtlich.
Bei dieser Summe handelt es sich faktisch um den Verzicht auf Gewinne, die Deutschland bisher mit der Griechenlandhilfe erwirtschaftet hat: Mit 599 Millionen Euro wäre die Bundesbank im nächsten Jahr an den Überschüssen beteiligt, die der Europäischen Zentralbank aus griechischen Staatsanleihen entstehen; diese Summe soll nun nach Griechenland weitergereicht werden.
Zudem werden die Zinsen, die die Griechen für ihre Kredite an die deutsche Staatsbank KfW zahlen müssen, so abgesenkt, dass, so Schäuble, „keine Gewinne mehr entstehen“ – dies führe zu Mindereinnahmen von 130 Millionen Euro. Dieser Verzicht sei ein „Teil der Solidarität in einer schwierigen Zeit“, sagte Schäuble.
Schäuble gegen Schuldenschnitt
An anderer Stelle ist es mit der Solidarität weniger weit her: Einen Schuldenschnitt, bei dem auch öffentliche Gläubiger wie der deutsche Staat auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten würden, lehnt Schäuble weiterhin entschieden ab.
„Weitere Maßnahmen“, zu denen auch ein Schuldenschnitt gehören könnte, seien erst nach 2014 denkbar. Und das habe keinesfalls etwas mit der bevorstehenden Bundestagswahl zu tun. Grund sei vielmehr, dass Griechenland noch mindestens so lange neue Kreditgarantien brauche. Und diese dürfe Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht geben, wenn zuvor auf Forderungen verzichtet werde.
Das sieht die Opposition anders. „Ein gestaffelter und an Bedingungen gebundener Schuldenschnitt wäre auch jetzt schon möglich“, sagte Grünen-Europapolitiker Manuel Sarrazin der taz.
Fraktionschefin Renate Künast erklärte, man müsse ohnehin davon ausgehen, dass ein solcher Schuldenschnitt komme. „Ich fordere die Regierung Merkel auf, die Wahrheit zu sagen.“
Zustimmung signalisiert
Während die Linkspartei sofort ankündigte, das neue Rettungspaket abzulehnen – es „pumpt Steuergeld in Banken“, twitterte der Vorsitzende Bernd Riexinger –, deuteten SPD und Grüne eine Zustimmung an.
„Ich werde meiner Fraktion kein Verhalten empfehlen, das dazu führen wird, dass Griechenland kurzfristig nicht mehr zahlungsfähig ist und gegebenenfalls die Eurozone verlassen muss“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im ZDF.
Nicht akzeptieren will die Opposition allerdings den Zeitplan, der der Regierung vorschwebt. Noch in dieser Woche soll der Bundestag laut Schäuble über Änderung des Griechenland-Programms entscheiden; vor der eigentlichen Auszahlung im Dezember solle dann der Haushaltsausschuss informiert werden. Das geht der SPD zu schnell.
„Wir sind kein Abnickparlament“, sagte Steinmeier der Saarbrücker Zeitung. „Wochenlang drehen sich die Finanzminister bei ihren Beratungen im Kreis, aber dann soll der Bundestag innerhalb von 48 Stunden zustimmen. Da fehlt jeder Respekt vor dem Parlament.“
27 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Angela Merkels Griechenlandpolitik ist nur scheinbar inkonstistent. Trotzdem bringt ihr Lavieren Europa immer wieder in gefährliche Nähe zum Absturz.
Die SPD ist wenig hilfreich bei der Lösung der Eurokrise. Sie kritisiert die Regierung, äußert sich aber nicht deutlich zum Problem.
Die Parlamentarier erkämpfen sich etwas mehr Zeit, um über die von den EU-Finanzministern beschlossenen neuen Griechenland-Hilfen zu beraten.
Ein möglicher Schuldenerlass für Griechenland ist weiterhin umstritten. Die Opposition und Stimmen in der Union kritisieren den Vorschlag.
Griechenland bekommt die dringend benötigte Finanzhilfe – tröpfchenweise. Eine Rettungsstrategie für den Euro sieht anders aus.
Zinserleichterungen und Laufzeitverlängerungen hat die Eurogruppe zur Griechenland-Hilfe beschlossen. Einen Schuldenschnitt gibt es vorerst nicht.
Die internationalen Geldgeber setzen die Griechenland-Hilfe fort. Gestundete Zinsen oder längere Kreditlaufzeiten sollen helfen, das Krisenland wieder auf Kurs zu bringen.
Die Eurogruppe will Notkredite an Griechenland freigeben. Auch Spanien kann schon bald mit Hilfen für seine Banken aus dem Euro-Rettungsschirm rechnen.
Deutschland riskiert die Verschärfung des Problems: Ohne einen zweiten radikalen Schuldenschnitt wird die Wut der europäischen Staaten aufeinander zunehmen.
Fortschritte, aber kein Ergebnis. Die Geldgeber können sich nicht einigen, Deutschland will nicht zahlen. Also kriegen die Griechen auch kein Geld.
Athen macht aus der Not eine Tugend, der Finanzminister gibt sich wegen der Sparauflagen optimistisch: „Griechenland ist auf dem richtigen Weg“.