taz.de -- Kommentar Merkels Griechenlandpolitik: Balancieren am Abgrund
Angela Merkels Griechenlandpolitik ist nur scheinbar inkonstistent. Trotzdem bringt ihr Lavieren Europa immer wieder in gefährliche Nähe zum Absturz.
Absurde Vorstellung: Kanzlerin Angela Merkel lässt durchblicken, dass Europa Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen könnte. Noch vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung unter ihrer Führung genau das abgelehnt und damit dem quälenden Eurorettungsdrama ein weiteres überflüssiges Kapitel hinzugefügt. Warum jetzt dieser anscheinende Sinneswandel?
Es ist keiner. Denn selbst im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium kann man rechnen. Ein Staat, der wie Griechenland mit bald dem Doppelten seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist, kann sich nicht mehr mit herkömmlichen Mitteln sanieren. Da hilft alles Sparen nichts. Das Land braucht einen radikalen Schuldenschnitt wie schon viele Entwicklungsländer zuvor, wie beispielsweise Argentinien vor einem Jahrzehnt.
Selbst Deutschland wird gegenüber Athen irgendwann auf einen Teil seiner Forderungen verzichten. Merkel will aber den Eindruck vermitteln, dass sie den Griechen nichts schenkt. Im Hinblick auf ihre Wähler ist diese Strategie erfolgreich. Merkels Popularitätswerte sehen auch nach den neuesten Umfragen gut aus, während ihr Möchtegern-Herausforderer Peer Steinbrück nicht vom Fleck kommt.
Positiv betrachtet, tut die Bundesregierung das Nötige und Richtige. Sie hält Europa und die Eurozone zusammen, hilft Griechenland mit Milliarden – wenn es sein muss, nicht nur mit Bürgschaften, sondern neuerdings auch mit Bargeld. Und bei Gelegenheit sagt Merkel deutlich, dass Deutschland nationale Kompetenzen an Europa abgeben muss. Allerdings tut die Kanzlerin diese Schritte meist widerstrebend und verspätet. Damit riskiert sie großen Schaden.
Nach fünf Jahren permanenter Finanzkrise und dutzenden Lösungsversuchen stehen die europäischen Staaten wieder vor der großen Rezession. Unter Merkels Führung balanciert Europa am Rande des Abgrunds. Hoffentlich stürzen wir nicht doch noch ab.
2 Dec 2012
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