taz.de -- Kommentar EU-Gipfel: Europa kann es nicht
Griechenland bekommt die dringend benötigte Finanzhilfe – tröpfchenweise. Eine Rettungsstrategie für den Euro sieht anders aus.
Im dritten Jahr der Griechenlandkrise sollte man von Europa eine klare, schlüssige und nachhaltige Rettungsstrategie erwarten. Doch was die Eurogruppe am Dienstag vorgelegt hat, ist weder klar noch schlüssig – von nachhaltig ganz zu schweigen.
Griechenland bekommt die dringend benötigte Finanzhilfe nur tröpfchenweise. Die Lösung des Schuldenproblems wird bis nach 2020 verschoben. Wahrscheinlich dauert es sogar bis 2040. Die sogenannte Rettung wird zur unendlichen Geschichte. Und die Details der Einigung kann noch nicht einmal Finanzminister Wolfgang Schäuble verständlich erklären.
Europa kann es nicht, dieser Eindruck drängt sich nach dem x-ten Krisentreffen in Brüssel auf. Während Griechenland weiter leiden muss, stehen andere Pleitestaaten wie Island längst wieder auf eigenen Beinen. Dabei war die Schuldenkrise dort viel härter, und die Regierung in Reykjavík musste sie ganz allein lösen.
Griechenland steckt aber immer noch in der tiefsten Depression seit Menschengedenken. Schlimmer noch: Wegen der verfehlten Rettungsstrategie ist die gesamte Eurozone in die Rezession gerutscht, selbst die deutsche Wirtschaft schwächelt.
Lehren aus diesem Debakel hat Europa auch im Jahre drei der Krise nicht gezogen. Dabei ist längst klar, was zu tun wäre. Ein Schuldenschnitt muss her, und zwar nicht nur in Griechenland. Der Sparkurs muss ausgesetzt werden, solange die Konjunktur lahmt. Außerdem braucht der Süden ein Wachstumsprogramm, das diesen Namen auch verdient.
Doch Europa kann es nicht nur nicht, es will auch nicht. Der Wachstumspakt, der im Juni beschlossen wurde, ist schon wieder Makulatur, weil kein Geld da ist. Der Sparkurs wird mit dem Fiskalpakt zum Gesetz, im nächsten Jahr tritt er in Kraft. Und den Schuldenschnitt hat Schäuble nun auch noch ausgeschlossen, jedenfalls vorerst.
Mag sein, dass sich das nach der Bundestagswahl ändert und Berlin die Blockade doch noch aufgibt. Vielleicht denkt auch Brüssel irgendwann um und korrigiert den fatalen Eurokurs. Doch womöglich ist es dann schon zu spät. Europa wird zum Risiko für die Weltwirtschaft – das hat die OECD gestern noch einmal bestätigt. Die Meldung kam übrigens kurz nach der „Rettung“ Griechenlands.
27 Nov 2012
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