taz.de -- Kommentar Steueroasen: Berliner Heuchelei

Bisher hat sich Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht gerade als engagierter Steuerfahnder ausgezeichnet. Seine jetzigen Forderungen zum Thema sind wenig glaubwürdig.

Nachdem durch öffentlich gewordene Informationen die Dimension des weltweiten Steuerbetrugs ins allgemeine Bewusstsein gerückt ist, gibt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble entschlossen: Der Druck auf jene Staaten, die Kapitalflucht ermöglichen, müsse verstärkt werden, die internationale Kooperation ausgeweitet. Deutschland fordere das schon lange, doch andere Staaten blockierten.

Diese Aussage ist erstaunlich. In den letzten zwei Jahren bestand Schäubles Hauptaktivität in Sachen Steuerflucht darin, ein Abkommen mit der Schweiz auszuhandeln, das Anlegern Anonymität garantiert hätte, aber die jetzt aufgeflogenen Trust-Modelle nicht verhindert hätte. Und mit Verweis auf dieses Abkommen – das von der Opposition im Bundesrat gestoppt wurde – verhinderte Deutschland Fortschritte im EU-weiten Kampf gegen Steuerflucht.

Auch an anderer Stelle ist die Bundesregierung vor allem durch Untätigkeit aufgefallen. Während die USA alle auf ihrem Territorium tätigen Banken und alle ihre Tochtergesellschaften per Gesetz zwingt, Informationen über Auslandskonten von US-Bürgern zu ermitteln und weiterzugeben, kann die Deutsche Bank bisher für ihre Kunden in Offshore-Zentren geheime Trusts eröffnen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Und während Frankreich wenigstens die Geldströme in Steueroasen besteuert, schaut Deutschland untätig zu.

Auch dass Schäubles Staatssekretär Steffen Kampeter nun eine Art FBI gegen Steuerhinterziehung fordert, ist wenig glaubwürdig. Einen solchen Vorschlag hat die Regierung kürzlich noch abgelehnt. Unionsregierte Länder setzen bisher eher auf Kürzungen bei der Steuerfahndung. Wenn sich an der zögerlichen deutschen Haltung jetzt etwas ändern sollte, wäre das natürlich zu begrüßen. Dass die Bundesregierung hier schon bisher an vorderster Front gekämpft haben will, ist aber einfach nur Heuchelei.

6 Apr 2013

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt

TAGS

Steuer-CD
EU
CDU
Steueroase
Steuerbetrug
Wolfgang Schäuble
Steuern
Deutsche Bank
Steuerflüchtlinge
Steuer-CD
Steueroase
Offshore
Steueroasen

ARTIKEL ZUM THEMA

Rheinland-Pfalz kauft Steuer-CD: Eine halbe Milliarde Euro mehr

Rheinland-Pfalz hat eine Steuer-CD erworben. Das Finanzministerum kaufte für 4 Millionen Euro etwa 40.000 Datensätze „von ausgezeichneter Qualität“ .

SPD begrüßt Pläne gegen Steuerbetrug: „Zum kritischen Dialog bereit“

Die SPD-regierten Bundesländer wollen Wolfgang Schäuble beim Kampf gegen Steuerhinterziehung helfen. Wenn der Finanzminister einen „substanziellen Fortschritt“ liefert.

Brandenburgs Exjustizminister verurteilt: Die Einkünfte verschleiert

Brandenburgs früherer Justizminister Kurt Schelter ist wegen Betrugs verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof bestädigte das Urteil des Landgerichts Potsdam.

Kapitalflucht ohne Kontrolle: Das Leid der Steuerfahnder

Bislang müssen die Behörden dem Steuerbetrug oft hilflos zusehen. Denn ihre Zuständigkeit endet an der deutschen Grenze.

Krach um Steueroasen: Österreicher attackieren Briten

Auch Wien soll sein Bankgeheimnis kippen. Doch die Ösis wüten: Das Steuerparadies schlechthin sei doch Großbritannien.

US-deutsches Finanzministertreffen: Steueroasen ausgetrocknet

Schäuble und sein US-Amtskollege Lew demonstrieren Einigkeit: Sowohl im Kampf gegen Steuerbetrug und legale Steuertricks als auch bei der Haushaltssanierung.

Debatte um Steueroasen reißt nicht ab: Luxemburg fällt langsam um

Das kleine Nachbarland will sein Bankgeheimnis lockern und deutsche Steuerflüchtlinge künftig aufdecken. Die SPD hält das Angebot jedoch für halbherzig.

Debatte um Steueroasen: Deutsche Bank erzürnt Kontrolleure

Die Filiale des Geldhauses in Singapur hat über 300 Briefkastenfirmen in Steueroasen betreut. Das alarmiert die Finanzaufsicht.

Steueroasen im Vereinten Königreich: Paradies für Kriminelle aus aller Welt

Die britischen Jungferninseln unterstehen der Souveränität Großbritanniens. Über Scheinfirmen werden dort Steuern hinterzogen. Cameron gerät unter Druck.

Hans Eichel will aufräumen: „Alle Steuer-CDs aufkaufen“

Lug und Betrug: Der einstige Bundesfinanzminister Eichel glaubt, dass es noch viel mehr Steuerhinterzieher gibt als gerade bekannt wird.

Kommentar Kapitalflucht: Das Märchen vom scheuen Kapital

Dass es im Kampf gegen Kapitalflucht Fortschritte gibt, ist den zahlreichen Datenlecks zu verdanken. Die traditionelle Politik der Steuerentlastungen ist aus der Mode gekommen.

Steuerhinterziehung mit System: Der Schleier ist gelüftet

Wer viel Geld hat, versteckt den Zaster gern auf entlegenen Inseln. Licht in die Praxis bringen Insider-Infos – 130.000 Leute kennt man nun.

Geschäfte in Steueroasen: Geheimdokumente weitergegeben

2,5 Millionen Dokumente über die Geschäfte in Steueroasen sollen geleakt worden sein. 130.000 Personen werden darin genannt, heißt es.