taz.de -- US-deutsches Finanzministertreffen: Steueroasen ausgetrocknet
Schäuble und sein US-Amtskollege Lew demonstrieren Einigkeit: Sowohl im Kampf gegen Steuerbetrug und legale Steuertricks als auch bei der Haushaltssanierung.
BERLIN dpa | Deutschland und die USA wollen den Druck auf weltweite Steueroasen erhöhen. „Wir haben ein gemeinsames Interesse und wollen sicherstellen, dass die Steuergesetze eingehalten werden und dass auch Transparenz an den Tag gelegt wird“, sagte der neue amerikanische Finanzminister Jacob J. Lew am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Unangemessene Geldflüsse müssten unterbunden werden.
Lew forderte die Euro-Länder erneut auf, mit einer Stärkung der Binnennachfrage das weltweite Wachstum anzukurbeln. Er deutete zugleich an, dass die USA bei der Sanierung ihrer Staatsfinanzen mehr Zeit benötigen könnten.
Schäuble und sein US-Kollege betonten mehrfach, dass es zwischen ihnen keine Differenzen gebe in der Debatte über die Sanierung der Haushalte bei gleichzeitiger Förderung von Wirtschaftswachstum.
Lew war zuvor mit den Spitzen der EU-Kommission sowie der Europäischen Zentralbank zusammengekommen. Die Amerikaner pochen seit langem auf mehr Anstrengungen der Euro-Länder für mehr Wirtschaftswachstum – auch unter Inkaufnahme höherer Schulden.
Vorgaben nicht eingehalten
Im Gegensatz zur Euro-Zone halten die USA die Vorgaben der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) nicht ein, wonach die Haushaltsdefizite bis 2013 halbiert und der Schuldenstand stabilisiert werden sollen.
Nach dem Treffen mit Schäuble betonte Lew, die Wachstumspolitik und jeweiligen Ziele müssten miteinander in Einklang gebracht werden: „Wir müssen hier ein Gleichgewicht schaffen.“
Eine Wachstumskraft wäre natürlich eine Stärkung der Binnennachfrage in der Euro-Zone. Deutschland und die USA hätten aber ein gemeinsames Interesse: „Wir sind beide dem Wachstum verschrieben und wir haben uns beide der Haushaltsdisziplin verschrieben“, sagte Lew. Er räumte ein, eventuell müsse man „den Zeitplan für die Haushaltskonsolidierung ausweiten“.
Ziel noch nicht erreicht
Zur US-Wirtschaft sagte er: „Unser wirtschaftlicher Aufschwung gewinnt an Stärke.“ Die Schaffung von Arbeitsplätze gelinge zwar nicht so schnell wie erhofft. Aber die Wirtschaftsleistung habe sich um die Hälfte verbessert im Vergleich zu 2009: „Aber das ist noch nicht ganz das, was wir erzielen wollen.“ Die Unterstützung seitens der Regierung werde aber langfristig zurückgefahren.
Schäuble nannte es eine falsche Wahrnehmung, wenn von Differenzen die Rede sei: „Niemand – auch in Europa – sieht diesen Gegensatz zwischen finanzpolitischer Konsolidierung und Wachstum.“
Es sei die gemeinsame Position „einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung oder eines nachhaltigen Wachstums, wie immer man das formuliert“. Er vertraue der US-Regierung, die richtige Strategie zu finden.
Angesichts der jüngsten Diskussion um Steueroasen hofft Schäuble auch auf einheitliche Standards in der EU zum automatischen Datenaustausch von Steuerbehörden. „Das ist manchmal ein mühsames Bohren dicker Bretter.“ Mit stetigen Verhandlungen könnten die Dinge aber vorangebracht werden, sagte Schäuble.
Ausnahmen abschaffen
In der EU liefern die meisten Länder den deutschen Steuerbehörden automatisch Informationen über Zinseinkünfte von Bundesbürgern in ihren Ländern. Luxemburg und Österreich haben aber Ausnahmen durchgesetzt und pochen bisher auf Gleichbehandlung – auch mit der Schweiz. Ein Steuerabkommen Berlins mit Bern ist aber am Widerstand von SPD und Grünen im Bundesrat gescheitert.
Die USA stützen das Bemühen Deutschlands, legale Steuertricks internationaler Unternehmen – darunter Apple oder Google – einzuschränken. Man sei sich darin einig, dass es keine Systeme mehr geben sollte, die einen Anreiz für gewisse Vorteile schafften, sagte Lew.
Schäuble betonte: „Wir arbeiten in dieselbe Richtung.“ Multinationale Konzerne sparen trotz hoher Gewinne Milliarden an Steuern, da sie legale Schlupflöcher weltweit nutzen.
9 Apr 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die US-Notenbank setzt ihren geldpolitischen Kurs fort und sorgt weltweit für Überraschung. Die Aktienmärkte legten deutlich zu, der Dollar kommt dagegen unter Druck.
Die wichtigsten Wirtschaftsnationen arbeiten an der Regulierung der Finanzmärkte. Man will auf Schattenbanken besser aufpassen.
Das Schweizer Parlament lehnt es vorerst ab, Bankdaten in die USA zu liefern. Das Abkommen der beiden Länder galt als Vorbild im Kampf gegen Steuerflucht.
Dass der Milliarden-Geldberg von Apple auch dank cleverer Steuermodelle entstand, war schon lange bekannt. Ein Ausschuss des US-Senats hat das System nun untersucht.
Die SPD-regierten Bundesländer wollen Wolfgang Schäuble beim Kampf gegen Steuerhinterziehung helfen. Wenn der Finanzminister einen „substanziellen Fortschritt“ liefert.
Brandenburgs früherer Justizminister Kurt Schelter ist wegen Betrugs verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof bestädigte das Urteil des Landgerichts Potsdam.
Bislang müssen die Behörden dem Steuerbetrug oft hilflos zusehen. Denn ihre Zuständigkeit endet an der deutschen Grenze.
Auch Wien soll sein Bankgeheimnis kippen. Doch die Ösis wüten: Das Steuerparadies schlechthin sei doch Großbritannien.
Österreich könnte der letzte EU-Staat sein, in dem ausländische Konteninhaber anonym bleiben: Der Kanzler wankt, doch die ÖVP bremst.
Das kleine Nachbarland will sein Bankgeheimnis lockern und deutsche Steuerflüchtlinge künftig aufdecken. Die SPD hält das Angebot jedoch für halbherzig.
Bisher hat sich Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht gerade als engagierter Steuerfahnder ausgezeichnet. Seine jetzigen Forderungen zum Thema sind wenig glaubwürdig.
Die Filiale des Geldhauses in Singapur hat über 300 Briefkastenfirmen in Steueroasen betreut. Das alarmiert die Finanzaufsicht.
Die britischen Jungferninseln unterstehen der Souveränität Großbritanniens. Über Scheinfirmen werden dort Steuern hinterzogen. Cameron gerät unter Druck.
Dass es im Kampf gegen Kapitalflucht Fortschritte gibt, ist den zahlreichen Datenlecks zu verdanken. Die traditionelle Politik der Steuerentlastungen ist aus der Mode gekommen.
Bei Offshore-Leaks wurden Informationen zu Steueroasen über ein Netzwerk von Journalisten verteilt. Diese Praxis offenbart zwei Verlierer: Julian Assange und Wikileaks.