taz.de -- Erdölsuche vor spanischen Inseln: Bohren im Urlaubsparadies
Unternehmen wollen nahe der Balearischen und Kanarischen Inseln Erdöl fördern. Aber in den Regionen wächst der Widerstand.
MADRID taz | Nach einem Jahrzehnt an der europäischen Spitze in Sachen erneuerbarer Energien sucht Spanien wieder verstärkt nach alten Energien. Statt auf Wind und Sonne setzt die konservative Regierung unter Mariano Rajoy auf Erdöl. Ausgerechnet dort, wo jährlich Millionen von Touristen ihren Strandurlaub verbringen, soll gebohrt werden. Sowohl vor den Kanaren als auch vor den Balearen warten große Unternehmen der Branche auf die endgültige Genehmigung, um die Suche aufzunehmen.
Das Industrieministerium hat seine Zustimmung bereits gegeben. Dass diese in den nächsten Wochen auch vom Umweltministerium kommen wird, bezweifelt niemand. Ein Konsortium aus der spanischen Erdölgesellschaft Repsol, der australischen Woodside Energy und der deutschen RWE will bereits im Sommer vor den Kanaren mit den Untersuchungen beginnen. Und vor den Balearen steht Capricorn, eine Tochter der schottischen Cairn Energy, in den Startlöchern.
In einem ersten Schritt sollen mittels Schalls Erdöllager unter dem Meeresboden aufgespürt werden. Bei der seismischen Untersuchung werden riesige Explosionen verursacht, deren Stärke einem Sprengsatz von 30 bis 100 Kilogramm Dynamit entspricht. Die vom Meeresgrund zurückgeworfenen Schallwellen werden analysiert. Umweltschutzorganisationen und Fischereiverbände befürchten den Rückgang der Meeresfauna durch diese Untersuchungen.
Viele Arten könnten aus den Gebieten flüchten, fürchten sie. Andere werden durch den Schall schwer geschädigt. „In den betroffenen Gebieten wird der Fischfang um bis zu 70 Prozent zurückgehen“, prophezeit die für Meeresbiologie zuständige Spezialistin der Umweltschutzorganisation Ecologistas ein Acción, Angeliki Lysimachou. Insgesamt sind auf den Kanaren und den Balearen 20.000 Quadratkilometer Meeresfläche von diesen Untersuchungen bedroht – also ein Gebiet, das fast so groß wie Hessen ist.
Anwohner machen gegen die Pläne mobil
Auf den Inseln selbst befürchten Bürger und Regionalpolitik um den Tourismus, sobald Erdöl gefördert wird. Erholungssuchende wollen schließlich nicht mit der Förderung des schwarzen Goldes behelligt werden. Auf der Baleareninsel Ibiza gingen Ende Februar 12.000 Menschen gegen die Erdölförderung auf die Straße. Selbst die Regionalpolitiker der konservativen Partido Popular von Ministerpräsident Rajoy stellen sich gegen das Vorhaben. Es war die größte Demonstration, die die Mittelmeerinsel je gesehen hat.
Auch im Atlantik auf Lanzarote, der Kanareninsel, die am nächsten an dem Gebiet liegt, das Repsol und Co. ausbeuten wollen, machen die Bürger immer wieder mobil. Sie fürchten um den Tourismus – und das, obwohl die Erdölindustrie gut bezahlte Arbeitsplätze und Reichtum für die Inseln verspricht. 140.000 Barrel Erdöl könnten bald schon täglich gefördert und das 20 Jahre lang, verspricht die Erdölfirma Repsol.
Das Unternehmen mahnt zur Eile. Denn auch Marokko und Mauretanien suchen in ihren Hoheitsgewässern gegenüber den Kanaren nach Öl. Größere Vorkommen wurden bisher allerdings rund um die Inseln nicht gefunden.
Die Regierung der Kanarischen Inseln will die Erdölsuche stoppen und fordert ein Referendum mit der Frage: „Sind Sie mit der Genehmigung der Erdölsuche durch die multinationale Repsol vor den Küsten unserer Inseln einverstanden?“ Bis auf Rajoys konservative Partido Popular unterstützen alle Parteien im Regionalparlament den Plan, die Bürger zu befragen. Aus Madrid freilich kommt ein klares Nein zur Volksabstimmung. Diese sei nicht verfassungskonform, da es sich um kein regionalpolitisches Thema handle.
24 Mar 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln wird vom 1.Juli an eine Touristenabgabe fällig. Die Hoteliers und Umweltschützer sind dagegen.
In Spanien werden 99 Prozent des Erdöls importiert. Nun wurde die Erlaubnis erteilt, vor den Kanaren Öl zu fördern. Nicht nur die Regionalregierung ist gegen das Projekt.
Umweltschützer starten einen letzten Versuch, die geplanten Ölbohrungen noch zu verhindern. Ein Reservat für Meeressäuger soll helfen.
Die spanische Regierung dreht die Uhr zurück. Auf den Kanarischen Inseln setzt sie statt auf Erneuerbare Energien auf Ölförderung.
Spaniens oberste Richter erlauben Ölbohrungen vor Fuerteventura und Lanzarote. Die Arbeiten könnten noch in diesem Sommer beginnen.
Spaniens Regierung erlaubt die Erdölsuche vor den Urlausbinseln. Die Firma Repsol will mit dem schwarzen Gold Profit machen. Verdreckt das Meer?
Die Bevölkerung der von Marokko besetzten Westsahara muss zusehen, wie ihre Ressourcen an ausländische Unternehmen verkauft werden. Nun gibt's Randale.
Ein italienisches Gericht hat drei Manager wegen Umweltverschmutzung verurteilt. Sie befeuerten ein Kraftwerk im Podelta mit schwefelhaltigem Öl.
In Spanien beginnt die Deflation und sofort steigen die Aktien. Eine drohende Rezession wird in einen kommenden Boom umgedeutet.
In Spanien fallen die Preise. Und immer neue faule Kredite werden bekannt: Jetzt sind die privaten Autobahnen pleite und müssen vom Staat übernommen werden.
Die brasilianische Regierung feiert die Versteigerung von Offshore-Ölreserven als großen Erfolg. Die Gewerkschaften sprechen dagegen von Ausverkauf.
An der spanischen Mittelmeerküste häufen sich Erdbeben, seit ein Erdgaslager gefüllt wird. Urlaubsgebiete und zwei Atomkraftwerke liegen in der Nähe.
Durch eine beschädigte Pipeline vor der Küste Thailands sind Tausende Liter Öl ins Meer gelaufen. Jetzt ist auch der Strand der Insel Ko Samet damit bedeckt.