taz.de -- Kommentar Putin und Hitler: Schäubles Fauxpas

Du sollst keine ausländischen Staatsoberhäupter mit Hitler vergleichen! Aber vor allem konservative Politiker halten sich daran nicht.
Bild: Man kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen

Deutsche Politiker, vor allem konservative, haben eine tief sitzende Neigung zu Nazivergleichen. Helmut Kohl verglich einst sogar den moderaten Michail Gorbatschow mit Goebbels. Das war in den 80er Jahren ein intellektuelles und diplomatisches Desaster für Kohl. Interessant ist, dass auch gescheite Minister wie Wolfgang [1][Schäuble aus diesem Eklat nichts gelernt haben].

Offenbar ist es für deutsche Konservative einfach zu verlockend, die historischen Täter-Opfer Rollen umzukehren. Besonders gern werden Politiker aus Regionen, deren Bevölkerung einst von Nazi-Truppen massakriert wurden, mit Hitler assoziiert. Offenbar verspricht diese Rhetorik auch 70 Jahre danach noch eine Art psychische Entlastung.

Putins Agieren in der Krim-Krise mit Hitlers Annektion des Sudetenland 1938 in eins zu setzen, so wie Schäuble es tut, ist nicht harmlos. Es ist ein propagandistisches Bild, in dem Putin die Rolle des maßlosen Aggressors angedichtet wird, der ganz Europa unterjochen wird. Wer da noch auf Reden und Verhandeln setzt, ist ein dummer Clown des Diktators, so wie es die westlichen Appeasement-Politiker 1938 waren, die glaubten Hitler durch Nachgiebigkeit beruhigen zu können.

In der Ukraine-Krim-Krise hagelt es derzeit historische Analogien. Mal wird dunkel der Erste Weltkrieg 1914 beschworen, mal 1938 als Beleg, dass der Westen hart bleiben müsse, mal Sarajevo 1993 oder die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 durch den sowjetischen Imperialismus. Keine dieser Assoziation führt analytisch einen Millimeter weiter. Es handelt sich nur um emotional aufgeladene Floskeln, die unbrauchbar sind, um diese Krise besser zu verstehen. Wenn schon, dann wären die dreisten, völkerrechtswidrigen Überfälle der USA auf Grenada und Panama in den 80er Jahren vergleichbar mit dem, was Putin in der Krim tut.

Nötig ist derzeit nüchternes Ausloten, wie der Konflikt mit Moskau deeskaliert werden kann und was die EU tun sollte, um die Ukraine zu stabilisieren. Feindbildklischees vom bösen Russen sind bestenfalls überflüssiges Geschwätz, schlimmstenfalls Treibstoff für ein Revival des Kalten Krieges.

Angela Merkel, die Zögerliche, hat getan, was sie sonst scheut – nämlich schnell und eindeutig zu reagieren. Sie hat dem Hobbyhistoriker Schäuble klar zu verstehen gegeben, was sie von Hitler-Vergleichen hält: gar nichts. Es fällt schwer, der Kanzlerin dafür nicht dankbar zu sein.

1 Apr 2014

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Stefan Reinecke

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