taz.de -- Kommentar Film über Krim-Besetzung: Putins Prawda

Der russische Präsident tritt wieder öffentlich auf und redet Klartext über die Krim. Die imperiale Lüge ist nun wirklich nicht mehr zu übersehen.
Bild: Ganz der alte: Wladimir Putin am 16. März in Moskau.

Zumindest was die Krim angeht, hat Wladimir Putin die Maske endgültig fallen lassen. Pünktlich zum 1-jährigen Jubiläum des Krim-Beitritts zu Russland wird im staatlichen TV-Sender „Rossija 1“ ein Dokumentar-Film von Andrej Kondraschow mit dem Titel „Krim. Die Rückkehr in die Heimat“ ausgestrahlt.

Der Trailer dazu wurde vor einer Woche präsentiert. Darin offenbart der russische Präsident, dass der Entschluss die Krim heimzuholen in seinem Arbeitszimmer am 23. Februar gegen 7 Uhr morgens (also unmittelbar nach der Flucht des ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowytsch aus Kiew) gefällt wurde. Im Grunde gibt Putin zu, dass sein bisheriges vehementes Abstreiten jeglicher russischer Beteiligung am Krim-Anschluss eine dreiste Lüge war. Putin hält es offensichtlich nicht mal mehr für nötig sich zu verstecken. Warum macht er das bloß?

Diese gezielt platzierte Bombe wurde in den deutschen Medien eher verhaltend kommentiert, während über die tagelange Abwesenheit Putins ausführlich spekuliert wurde. Und das ist der eigentliche Skandal. Die einen, die es eh schon immer gewusst haben, scheinen kriegsmüde und resigniert zu sein. Die anderen, die sich als Putin-Versteher positionieren, schweigen sich aus.

Wenn Putin mit Europa kommuniziert, dann werden da Chiffren benutzt wie „den bedrohten Russen Hilfe leisten“ oder „die Menschen nicht der Walze der Nationalisten überlassen“. Will heißen: „Ich behalte mir das Recht vor, einzumarschieren“.

Fest im Sattel

Selten haben sich in der neueren Geschichte Europas die Dinge so schnell und so gravierend geändert, wie im letzten Jahr. Es ist schnell mittels einer Handvoll Putins Statements erzählt. Meistens für eine Überraschung gut und bestens in Szene gesetzt.

Er ist derjenige, der die Regeln bestimmt, nach denen gespielt wird. Dem Westen überlässt Putin allenfalls die Rolle eines Kommentators, der die gesendeten Botschaften zu entziffern und zu interpretieren hat. Nur ist sein Bekenntnis zur Krim-Annexion kein Signal mehr, sondern Klartext. Ihr könnt mich mal alle! Ich sitze fest im Sattel, und hinter mir mein Volk.

Die Krim-Doku ist für das eigene Volk gedacht. Laut Annonce wird Wladimir Putin darin ruhmreiche Episoden „des Krim-Frühlings, welche den Gang der neuesten russischen Geschichte bestimmt haben“ erklären. Sie reihen sich ein in die hurrapatriotische Ekstase, die für Millionen Russen zur einzigen Wirklichkeit geworden ist.

Vor knapp zwei Wochen ist im Internet ein 3-Minütiger Film mit dem Titel „Ich bin der russische Besatzer“ aufgetaucht, der mittlerweile fünf Millionen Mal angeklickt wurde. Produziert wurde er von einem skandalumwitterten Studio, das sich bereits mit anderen provokanten Propaganda-Spots einen Namen gemacht hat.

Bevorstehendes Siegesjubiläum

Im mehrsprachig untertitelten professionell gearbeiteten Video heißt es: „Ich warne euch höflich zum letzten Mal. Provoziert mich nicht! Ich schaffe Frieden. Ich liebe Frieden. Aber kämpfen kann ich besser, als alle anderen! Achtungsvoll, der russische Besatzer“. Das klingt wie Generalprobe zum eigentlichen bevorstehenden Jubiläum der Superlative, der 70. Siegesparade auf dem Roten Platz am 9. Mai. Es wird wohl so krachen, dass die Tassen in Berlin und Kiew klirren werden.

Apropos Kiew. Um die Ukraine ist es seit dem Mord Nemzows verdächtig still geworden. Der Krieg in Donbass fordert aber weiterhin neue Opfer. Der Kreml bestreitet jegliche Beteiligung. Aber wer kann garantieren, dass dort nicht gerade tüchtig an neuen Szenarien geschrieben wird? Donbass-Frühling-Folge, dann vielleicht Mariupol, Charkiw, wer weiß das schon genau. Jedenfalls an neuen Eigeständnissen aus berufenem Munde wird es kaum mangeln. Die Wahrheit ist für Putin nur das, was gerade genehm ist. Wer das spätestens jetzt nicht sieht, belügt sich selbst.

16 Mar 2015

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