taz.de -- Kommentar türkischer Korruptionsskandal: Erdogans Imperium wankt

Die AKP versinkt im Sumpf der Korruption, nie hat das System so gewankt. Die Modernisierer von gestern sind heute die Reformverweigerer.
Bild: Das System Erdogan ist am Ende. Die Demonstranten lassen sich nicht entmutigen

„Jetzt werden wir den Sturz des Imperiums sehen“, soll der US-Botschafter in der Türkei, Francis Ricciardones, in diesen Tagen über Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seine AK-Partei gesagt haben. Auch wenn Ricciardones diese Meldung pflichtgemäß dementiert, nie hat Erdogans Truppe in den vergangenen elf Jahren so gewankt wie heute. Dabei war die islamische AK-Partei schon mit vielen schwierigen Situation konfrontiert, doch gab es einen wichtigen Unterschied zu heute.

Kämpfte die AKP damals gegen das übermächtige Militär, hatte die Partei scheinbar Demokratie und Fortschritt auf ihrer Seite. Heute ist das anders. Aus den Modernisierern von gestern sind Reformverweigerer geworden, die sich immer mehr in ihr islamisches bis islamistisches Weltbild zurückgezogen haben. Die landesweiten Demonstrationen im Sommer forderten nichts anderes als Demokratie und individuelle Freiheit. Erdogan ließ sie niederknüppeln, die Jugend des Landes denunzierte er als Teil einer ausländischen Verschwörung.

Dieses Muster wiederholt sich jetzt. Nicht er, seine Minister und Gefolgsleute sind schuldig, Millionen Dollar Schmiergeld genommen zu haben, sondern dunkle Mächte verfolgen eine dreckige Kampagne gegen die AKP. Es ist zwar richtig, dass die klandestine islamische Gülen-Bewegung, die ihn lange unterstützt hat, mit der er sich aber dann überwarf, den Korruptionsskandal hat auffliegen lassen.

Doch es bleibt, dass die angeblich saubere AKP sich mittlerweile genauso oder schlimmer bereichert, wie ihre Vorgänger es getan haben. Vor dem Hintergrund, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigt und das rasante Wachstum der letzten Jahre vorbei ist, kommt das auch bei ihren Wählern nicht mehr gut an. Es könnte sein, dass die Türkei am Ende des neuen Jahres ganz anders aussieht als heute.

23 Dec 2013

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Jürgen Gottschlich

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