taz.de -- Kommentar Machtkampf in der Türkei: Islamistischer Bruderkrieg
In der Türkei geht das Gerangel um Macht weiter. Der Konflikt zwischen Erdogan und der Gülen-Gemeinde könnte die säkulare Bewegung stärken.
Die Türkei wird derzeit von einem Machtkampf erschüttert, wie sie ihn seit dem letzten Versuch der Militärs 2007, die AKP verbieten zu lassen, nicht mehr erlebt hat. Die Protagonisten sind jetzt aber nicht mehr Säkulare gegen Islamisten. Nein, jetzt kämpfen Islamisten gegeneinander.
Gegner von Ministerpräsident Erdogan ist die einflussreichste islamische Sekte der Türkei, die Gülen-Gemeinde, deren Guru Fethullah Gülen seit 1999 in den USA lebt. Über ein Jahrzehnt hat diese Bewegung den Aufstieg der AKP tatkräftig unterstützt, gemeinsam hat man etliche politische Gegner bekämpft, Gegner aus dem säkularen Spektrum des Landes ins Gefängnis gebracht. Jetzt frisst die islamische Revolution ihre Kinder.
Während sich AKP und Erdogan beklagen, Gülen würde immer mehr Macht in den Institutionen, vor allem in Justiz und Polizei beanspruchen, spricht die Gülen-Gemeinde von zunehmender autoritärer Gewalt vonseiten der Regierung und beklagt einen Mangel an Demokratie, den sie allerdings so lange in Ordnung fand, wie es noch gegen Linke, Gewerkschaften und die kemalistische Opposition ging.
Mit der gestrigen Welle von Verhaftungen AKP-naher Geschäftsleute wurde der Konflikt zwischen diesen rechten Kräften weiter verschärft. Der Konflikt zeigt vor allem das Fehlen einer echten demokratischen Alternative zur Ein-Mann-Show Erdogan.
Paradoxerweise wachsen mit diesem innerislamischen Konflikt aber die Chancen für die säkulare Bewegung. Ihre Kandidaten könnten bei den bevorstehenden Kommunalwahlen punkten. Und Erdogan könnte größere Schwierigkeiten bekommen, sich im kommenden August erneut zum Präsidenten wählen zu lassen. Die Zeiten, in denen die AKP mühelos jede Wahl gewinnen konnte, sind jedenfalls glücklicherweise vorbei.
17 Dec 2013
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