taz.de -- Sipri-Bericht über Waffenexporte: Rüstungskonzerne erzielen hohe Gewinne
Die israelische Rüstungsindustrie verzeichnete im Jahr 2023 Rekordeinnahmen. Auch international fahren die Rüstungsunternehmen ihre Kapazitäten hoch.
Härnosand taz | Die Rüstungsindustrie boomt, viele Unternehmen rüsten personell auf. Das ist einer der zentralen Erkenntnisse des Stockholmer [1][Friedensforschungsinstituts Sipri,] das sich wie jedes Jahr die weltweit 100 größten Rüstungskonzerne vorgenommen hat. An diesem Montag wird der aktuelle Bericht veröffentlicht.
Insgesamt nahmen die Unternehmen demnach im Jahr 2023 mit Kriegsgerät und militärischen Dienstleistungen 632 Milliarden Dollar ein – 4,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Und der Markt werde wohl auch 2024 weiter wachsen, davon geht Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato aus.
„Die Rüstungseinnahmen der Top-100-Waffenproduzenten spiegeln noch nicht das ganze Ausmaß der gestiegenen Nachfrage wider“, erklärt Scarazzato. Viele Unternehmen seien dabei, Personal aufzubauen, deshalb könne man von deren Optimismus in Bezug auf künftige Geschäfte ausgehen.
Die 41 US-Unternehmen auf der Liste erwirtschafteten mit 317 Milliarden Dollar fast die Hälfte des weltweiten Umsatzes. Das war [2][allerdings nur 2,5 Prozent Wachstum.] Seit 2018 sind die oberen fünf Ränge ausschließlich von US-Unternehmen belegt. Ausgerechnet die beiden weltgrößten Rüstungsunternehmen, Lockheed Martin und RTX, verzeichneten 2023 eine kleine Delle.
US-Konzerne auf mehrstufige Lieferketten angewiesen
Die Erklärung der Experten: Für ihr breites Spektrum an Waffensystemen seien diese beiden US-Konzerne besonders auf komplexe, mehrstufige Lieferketten angewiesen. „Das machte sie anfällig für die schwelenden Lieferkettenprobleme des Jahres 2023“, erklärt Nan Tian, Leiter der Forschungsstelle für Militärausgaben und Waffenproduktion bei Sipri.
Die Einnahmen der 27 gelisteten europäischen Unternehmen (ohne Russland) wuchsen noch weniger als die in den USA – um nur 0,2 Prozent. Sie lagen zusammen bei 133 Milliarden Dollar. Sipri sieht darin aber keinen Hinweis auf schlechtere Geschäfte. Das geringe Wachstum im Vergleich zu anderen liege vielmehr darin begründet, dass hier besonders komplexe Waffensysteme gebaut würden.
Europäische Konzerne, die den gestiegenen Bedarf der Ukraine an Munition abdecken konnten, hätten auch größere Zuwächse verzeichnet, wie etwa der deutsche [3][Rheinmetall-Konzern], der zudem mit Leopard-Lieferungen kräftig verdient habe. Das Umsatzwachstum in Deutschland allein liegt bei plus 7,5 Prozent.
Wie es in der russischen Rüstungsindustrie aussieht, ist laut Sipri schon seit der russischen Annexion der Krim 2014 nicht mehr leicht nachzuvollziehen. Seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 hätten die meisten russischen Rüstungskonzerne ganz aufgehört, Zahlen zu veröffentlichen. Nur noch zwei russische Unternehmen fänden sich deshalb in der Top-100-Liste.
Russische Konzerne steigern Einnahmen
Sipri sieht den russischen Staatskonzern Rostec als Dachkonzern einiger der früher gelisteten russischen Waffenproduzenten auf Platz sieben. Das andere russische Unternehmen, das noch Zahlen veröffentliche, sei United Shipbuilding Corporation (USC) auf Rang 41. Diese beiden steigerten ihre Einnahmen aus Rüstungsgeschäften 2023 demnach um 40 Prozent, auf zusammen 25,5 Milliarden Dollar.
Die militärische Reaktion Israels auf den Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 brachte derweil den drei israelischen Waffen- und Rüstungskonzernen unmittelbare Rekordeinnahmen. Zusammengelegt wuchsen sie um 15 Prozent auf 13,6 Milliarden Dollar. Sipri zitiert Elbit Systems, dessen Einnahmen 2023 um 14 Prozent stiegen: Allein 900 Millionen Dollar hätten sie mit heimischen Aufträgen zwischen Oktober und Dezember 2023 umgesetzt.
2 Dec 2024
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