taz.de -- Bedrohtes Weltnaturerbe: Zuviel Sand im Meer
Die Hälfte aller Weltnaturerbestätten ist bedroht, warnt der WWF. Aktuell entscheidet eine Behörde, ob das Wattenmeer zur Müllkippe werden darf.
Berlin taz | Wenn es von oben Schlick rieselt, haben Seegraswiesen, Miesmuscheln und Seeigel ein Problem. Wie eine dünne Decke legt sich das schmierige Zeug auf Tiere und Pflanzen und stört sie beim Atmen, Trinken und Fressen. Im streng geschützten Nationalpark Wattenmeer ist das Verklappen von Sand und Schlick daher verboten – und auch seinem Status als Weltnaturerbe der Unesco widerspricht die Nutzung als Müllkippe.
Der niedersächsische Landesbetrieb für Küstenschutz (NLWKN) muss derzeit dennoch darüber entscheiden, ob in der Region 2,3 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick abgeladen werden dürfen. Den Antrag dafür haben die Niederlande gestellt. Sie möchten die ohnehin durch Kreuzfahrtschiffe gebeutelte und verschmutzte Ems in ihrer Mündung zur Nordsee vertiefen, damit schwere Kohlefrachter das Kraftwerk Eemshaven erreichen können. Am Mittwoch informierte sich der Beirat des Nationalparks über das Projekt und wird nun eine Empfehlung erarbeiten.
„Zu den Zielen des Nationalparks passt es nicht, so große Mengen Schlicks hineinzuwerfen“, sagt Kim Detloff, Leiter Meeresschutz bei der Naturschutzorganisation Nabu. Vor allem weil Sedimente aus Flüssen häufig mit Schwermetallen und teils giftigen organischen Verbindungen belastet sind. „Das ist Sondermüll und muss ordentlich an Land entsorgt werden“, sagt Detloff.
Man könnte zumindest den Sand von Schadstoffen befreien und als Rohstoff verkaufen, sagt Hans von Wecheln, Vorstandssprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste. Sedimentmanagement ist das Stichwort. Seit Jahren werde darüber geredet, doch wenn es ernst werde, werde statt der intelligentesten immer die einfachste und billigste Lösung gewählt, so von Wecheln.
Ökonomische Interessen bedrohen nicht nur das Wattenmeer. Die Umweltorganisation WWF veröffentlichte einen Bericht, nach dem weltweit jede zweite der insgesamt 229 Unesco-Stätten bedroht ist. Zu diesen schützenswerten Orten gehören etwa das Great Barrier Reef in Australien, die Buchenwälder in den Karparten und in Deutschland oder der Great Canyon in den USA.
Bergbau, Ölförderung, Überfischung, illegaler Holzeinschlag – die Liste der Untaten ist lang. Laut WWF ist die Situation in Zentral- und Südafrika besonders dramatisch, wo 71 Prozent der Gebiete bedroht seien.
„Der Status als Weltnaturerbe schützt zwar“, sagt Jörg Feddern, der sich als Ölexperte von Greenpeace auch mit Eingriffen ins Wattenmeer befasst. Er weckt das Interesse der Öffentlichkeit für ein Gebiet und erschwert es, Begehrlichkeiten durchzusetzen. Wichtiger sei allerdings der Schutz durch die Gesetze, die etwa in Nationalparks gelten würden.
Mal sehen, ob dem Wattenmeer vor Borkum in Sachen Emsvertiefung irgendeiner seiner zahlreichen Schutzmechanismen nützt.
6 Apr 2016
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