taz.de -- Kritik am Bundestagsbeschluss: Studierende gegen Syrien-Einsatz

Studierende der Friedens- und Konfliktforschung wenden sich gegen den Syrien-Einsatz. Es gebe zu viele Interessen in der Region.
Bild: Für den Syrien-Einsatz gibt es eine große Mehrheit im Bundestag – aber Kritik bei Studierenden.

Berlin taz | Sie sind die SicherheitsexpertInnen von morgen. Und sie sind gegen den am Freitag beschlossenen [1][Syrieneinsatz der Bundeswehr]. In einem [2][offenen Brief] erklären Fachschaften der Friedens- und Konfliktforschung aus Marburg, Tübingen und Frankfurt, weshalb sie ein überstürztes Eingreifen in Syrien für falsch halten. Unterzeichnet ist der Aufruf von zahlreichen ProfessorInnen, KommilitonInnen und dem ehemaligen Koordinator des UN-Entwicklungsprogramms im Irak, Hans-Christof von Sponeck.

Nach dem Beschluss des Bundestags sind Valeria Hänsel und Tim Bader, beide Mitglieder des Fachschaftsrates Marburg, erschrocken und enttäuscht: „In drei Tagen wurde der Einsatz im Bundestag durchgepeitscht, wichtige ExpertInnen wurden nicht gehört“, sagen sie. Es gebe keine Strategie der Bundeswehr, wichtige Fragen seien nicht geklärt.

Die Studierenden werfen den Abgeordneten vor, sich über die Anzahl der unterschiedlichen Interessen in der Region nicht im Klaren zu sein. Russland verfolge beispielsweise ganz andere Ziele als die europäischen Staaten oder die KurdInnen.

„Die Lage in Syrien hat sich mit den Anschlägen von Paris nicht grundsätzlich gewandelt,“ sagt Tim Bader. „Die Begründung für den Einsatz lautet: Wir in Europa müssen uns schützen, die Bevölkerung in Syrien ist uns egal.“ Die Studierenden fürchten, es könnten ZivilistInnen sterben oder in die Hände des IS getrieben werden.

Es gäbe auch nicht-militärische Maßnahmen

Vollkommen unklar sei zudem die Rolle des syrischen Präsidenten Assad in dem Konflikt. Verteidigungsministerin von der Leyens Äußerung, [3][es werde keine Lösung mit Assad geben], trauen sie nicht. „Letztlich kann der IS ohne Bodentruppen nicht geschlagen werden,“ sagt Tim Bader. „Und dafür kommen Assads Truppen am ehesten in Frage.“

In dem Brief sprechen sich die Studierenden für nicht-militärische Strategien gegen den „Islamischen Staat“ aus: Die Unterbindung des Ölschmuggels etwa, der eine große Einnahmequelle des IS ist, oder einen Stopp der Waffenlieferungen an Staaten, die den IS unterstützen.

Vor allem aber müsse es einen Dialog mit allen Beteiligten geben. „Wichtig ist, dass sich alle Akteure an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, wie der IS zu bekämpfen ist,“ sagen Bader und Hänsel übereinstimmend. Die Vereinten Nationen müssten dabei eine wichtige Rolle spielen.

Dort ist noch keine Entscheidung über ein militärisches Eingreifen gefallen. Die jüngst verabschiedete Resolution des Sicherheitsrates rechtfertigt keine militärischen Mittel [4][nach Kapitel VII der UN-Charta]. Die Luftangriffe von Frankreich, den USA und Russland basieren letztlich nicht auf der UN-Resolution, sondern auf eigenen Argumentationen. Vor allem Frankreich beruft sich nach den Anschlägen von Paris auf das Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta.

5 Dec 2015

LINKS

[1] /Syrieneinsatz-beschlossen/!5258101
[2] http://www.fuk-fachschaft.de/
[3] http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/verteidigungsministerin-langer-schwerer-und-gefaehrliche-einsatz-100.html
[4] /Debatte-Bundeswehreinsatz-in-Syrien/!5252194/

AUTOREN

Jonas Seufert

TAGS

Studierende
Bundeswehreinsatz
Bundestag
Offener Brief
Frieden und Krieg
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Baschar al-Assad
Bundestag
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Wissenschaftsrat über Friedensforschung: „Da steckt viel Beratung drin“

Friedens- und Konfliktforschung muss gestärkt werden, findet der Wissenschaftsrat. Silviana Galassi erklärt, warum das Forschungsfeld wichtig ist.

Bundeswehr im Syrien-Einsatz: Auftanken gegen Dschihadisten

Der Terror von Paris ist gerade einmal einen Monat her. Als Konsequenz greift nun auch die Bundeswehr in den Luftkrieg gegen den „Islamischen Staat“ ein.

Bundeswehr in Syrien: Laut Gutachten rechtswidrig

Die ersten Aufklärungs-Tornados und ein Tankflugzeug werden in die Türkei verlegt. Ein Rechtsgutachten der Linken stuft die Mission als rechtswidrig ein.

Deutschland und der Krieg in Syrien: Die Mitschuld des Westens

Die Mehrheit der Deutschen glaubt nicht an eine militärische Lösung. Auch der Zentralrat der Muslime ist gegen den Bundeswehreinsatz in Syrien.

Anti-IS-Koalition der Franzosen: Fabius: Notfalls auch mit Assad

Im Syrien-Konflikt fordert der Westen den Rücktritt von Machthaber Assad. Russland und Iran wollen ihn halten. Nun nähert sich Frankreich der Moskauer Position.

Syrieneinsatz beschlossen: Schlachtfeld Bundestag

Mit den Stimmen von SPD und Union hat der Bundestag den Bundeswehreinsatz in Syrien beschlossen. Zuvor gab es heftige Kritik aus der Opposition.

Debatte Syrien-Einsatz des Westens: Ohne Plan zur zynischen Lösung

Der Westen agiert in Syrien ohne erkennbaren Plan. Am Ende könnte eine zynische Lösung stehen: Assad gewinnt Gebiete, der Westen Sicherheit.

Geplanter Bundeswehreinsatz in Syrien: Heiko Maas hat keine Bedenken

Laut Bundesjustizminister ist der Syrien-Einsatz der Bundeswehr rechtlich unbedenklich. In Berlin demonstrierten 3.000 Menschen gegen den Krieg.

Pro & Contra Deutscher Syrien-Einsatz: Auf in den Kampf?

Die Bundeswehr soll den Kampf gegen die Islamisten in Syrien unterstützen. Ist das – trotz aller Risiken – ein richtiger Schritt?