taz.de -- Kommentar Ehe für alle: Weg mit der Ehe!

Den Staat geht es einen Scheißdreck an, wen jemand liebt. Deshalb muss die Ehe abgeschafft werden und nicht ausgeweitet.
Bild: Ob verheiratet oder nicht, am Ende geht doch sowieso alles in die Brüche.

Nach der irischen Volksabstimmung zur Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare fordern dies viele auch für Deutschland. Ehe für alle – das scheint in der Tat überfällig. Doch die Diskussion führt in die falsche Richtung: Die Institution Ehe, ein Konglomerat aus Hollywoodschmalz, Religion, Familienplanung und Steuersparen, ist überholt und sollte dringend entschlackt werden.

Die gegenwärtige Debatte bewirkt das Gegenteil. Die Verteidigung der Ehe als heterosexuelles Sonderrecht durch Konservative und die genauso verbissene Zuspitzung der homosexuellen Emanzipation auf diese eine Frage durch lesbisch-schwule Verbände suggerieren gleichermaßen: Gewinner ist, wer die Ehe hat.

Dabei ist die Ehe überholt, die Hetero-Ehe alles andere als ein Erfolgskonzept. Die Hälfte der staatlich abgesegneten Bünde wird geschieden, immer weniger Paare heiraten überhaupt. Es gibt viele andere Beziehungsformen, die der Staat nicht sponsert.

Noch wichtiger: Die romantische Komponente der Ehe ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, vorher war Heiraten vor allem ein wirtschaftlich-gesellschaftlicher Zwang. Wenn heute aber zwei Menschen sagen, dass sie sich lieben und das mit einem romantisches Fest feiern wollen – was hat der Staat damit zu tun? Nichts. Den Staat geht es einen Scheißdreck an, wen ich liebe.

„Aber die Ehe sorgt für Kinder“, behaupten viele. Klar, jede Gesellschaft braucht Nachwuchs. Aber warum eine Institution sponsern, die nur möglicherweise Kinder hervorbringt (es gibt auch Hetero-Ehen ohne), wenn man auch die Kinder an sich (mehr) fördern könnte?

Und natürlich ist es gut, wenn ein Staat fördert, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen – zum Beispiel über Steuervorteile. Aber warum soll das nur für Menschen mit unterschiedlichem Geschlecht gelten? Warum nur für zwei, nicht für mehrere? Eine zeitgemäßere Hülle gibt es bereits. Man kann sie locker auf verschiedene Konstellationen ausdehnen: die bisher gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehaltene „eingetragene Partnerschaft“.

30 May 2015

AUTOREN

Malte Göbel

TAGS

Ehe für alle
Familienpolitik
Romantik
Eingetragene Partnerschaft
Steuern
Homo-Ehe
Homo-Ehe
Kirche
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
lesbisch
Homo
Homosexualität
Homo-Ehe
Theologie

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte um Ehe für alle: „Das ist menschenverachtend“

Eine Anwältin zeigt Saarlands Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU) wegen Volksverhetzung und Beleidigung an.

Diskussion um Ehe für alle: „Neuer Tiefpunkt der Debatte“

SPD-Generalsekretärin Fahimi kritisiert Annegret Kramp-Karrenbauer. Die hatte zuvor die Homo-Ehe abgelehnt, weil dann auch Verwandte heiraten könnten.

Kirchen und die Ehe für alle: Traut euch endlich!

In etlichen Landeskirchen ist der kirchliche Segen für homosexuelle Paare längst gängige Praxis. Doch das ist längst nicht überall so.

Australische Labor-Partei will Ehe für alle: Menschen statt Männer und Frauen

Die Opposition im australischen Parlament will die Ehe als „Union zwischen zwei Menschen“ definieren. Premierminister Abbott ist dagegen.

Kolumne Macht: Homo-Ehe und Volkes Stimme

Das liberale Milieu will Volksabstimmungen, die Regierung setzt Sonderermittler ein. Wer verteidigt den besten Teil des Parlametarismus?

Vatikan kritisiert irische Ehe-Abstimmung: Homophober Kardinal ist traurig

Kardinal Pietro Parolin hält die irische Zustimmung zur Ehe für alle für eine „Niederlage für die Menschheit“. Der Vatikan will im Herbst über Homosexuelle reden.

Gleichstellung von Homo-Paaren: CDU bleibt stur

Abgeordnete stellen sich gegen Forderungen aus den eigenen Reihen: Die Gleichstellung Homosexueller sei nicht Teil des Koalitionsvertrages.

Gleichstellung von Homo-Paaren: „Ein starkes Symbol für Respekt“

Nach dem Referendum in Irland plädieren selbst Stimmen aus der CDU für die Homo-Ehe. SPD-Ministerin Schwesig ist für die nahe Zukunft aber skeptisch.

Evangelischer Arbeitskreis der Union: Homos? Krank und abartig!

In der Zeitschrift des Evangelischen AK der Union wird Homosexualität unkommentiert als „pervers“ und „abartig“ bezeichnet. Ein freundlicher Brief.