taz.de -- Kommentar Syrien und Iran: Militärschlag gegen Atomverhandlung

Die bevorstehende Bestrafung des Assad-Regimes wird die Verhandlungen mit dem Iran zurückwerfen. Dieser Aspekt wird in der Debatte unterbelichtet.
Bild: Hassan Rohani im Juni 2013 nach seinem Wahlsieg

Die USA und Großbritannien sind scheinbar wild entschlossen, den syrischen Präsidenten Assad militärisch zu bestrafen. Sie glauben, er sei für den Angriff verantwortlich, bei dem nahe Damaskus am 21. August 2013 Tausende Opfer chemischer Gifte wurden.

Diskutiert wird über die politischen und militärischen Risiken, die damit verbunden sind. Wie groß ist die Gefahr, dass erneut ein Krieg aufgrund falscher Geheimdienstannahmen geführt wird? Würde der Westen nicht unwiderruflich in den syrischen Krieg und dessen Eskalationsmechanismen hineingezogen? Entsteht ein Flächenbrand?

So wichtig diese Fragen auch sind, es geht um Aspekte der militärpolitischen Logik. Nicht diskutiert wird, welche Chancen politischer Konfliktlösung durch einen Militärschlag verloren gehen oder zerstört werden könnten. Was wird zum Beispiel aus den neuen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern? Oder noch wichtiger: Was wird aus dem eskalationsträchtigsten Konfliktthema der letzten Jahre – dem Streit um das iranische Atomprogramm?

Innerpolitische Widerstände

Der neue iranische Präsident Hassan Rohani hat signalisiert, in dieser Frage einen anderen Kurs fahren zu wollen als sein Vorgänger Ahmadinejad. Um zu zeigen, dass es ihm damit ernst ist, braucht er Zeit.

Er muss innenpolitische Widerstände der von seinem Vorgänger geschaffenen Machtstrukturen überwinden. Der Iran unterstützt Assad seit Jahren. Davon kann Rohani kaum abrücken. Mehr noch: Ein westlicher Angriff auf Syrien dürfte den Widerstand gegen einen kompromissbereiteren Ansatz Rohanis im Nuklearstreit erheblich stärken.

US-Präsident Obama würde also mit der Entscheidung, militärisch gegen Syrien vorzugehen, indirekt auch die Entscheidung treffen, den Nuklearstreit mit Teheran einen großen Schritt näher an einen Krieg heranzuführen. Nolens volens.

28 Aug 2013

AUTOREN

Otfried Nassauer

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Iran
Hassan Rohani
Geopolitik
Proteste in Iran
Schwerpunkt Atomkraft
Israel
Rote Linie
Giftgas
USA
Russland
Opposition
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Atomverhandlungen mit Iran ausgesetzt: Keine Kompromisse

Das offizielle Ende der Verhandlungen ist auch ein Zeichen an die Protestierenden. Statt bisherige Sanktionen zu erweichen, braucht es jetzt neue.

Irans Außenminister verurteilt Holocaust: Zaghafte Wende in Teheran

Außenminister Sarif verurteilt das Massaker der Nazis an den Juden. Zuvor schon hatte Iran den Hardliner Jalili als Atom-Chefunterhändler abgelöst.

Israel will Migranten abschieben: Ab nach Uganda!

Israel hat einen Deal mit einem afrikanischen Land geschlossen. Dort sollen illegale Einwanderer hin – freiwillig oder mit Gewalt.

Kommentar Teherans rote Linie: Iranische Zerreißprobe

Der Iran ist der engste Verbündete Syriens. Ein Angriff machte es für Präsident Rohani noch schwieriger, sich dem Westen anzunähern.

Giftgaseinsätze in Kriegen: Nicht zum ersten Mal

Nicht nur in Syrien ist Giftgas ein Kampfmittel. Der Irak setzte schon in den 80ern im Krieg gegen den Iran C-Waffen ein – mithilfe des Westens.

Möglicher Militärschlag gegen Syrien: Eine „gewisse Substanz“ verwendet

Keine Einigung im UN-Sicherheitsrat auf eine Syrien-Resolution. Ein UN-Gesandter hat Hinweise auf Chemiewaffen gefunden. Israel macht mobil.

Kommentar Militärschlag gegen Syrien: Kriegslüstern oder verantwortungslos

Den USA geht es um die Glaubwürdigkeit der „roten Linien“. Als oberstes und einziges Kriegsziel aber ist das nicht nur völkerrechtswidrig, sondern nahezu kriminell.

Debatte Syrien: Bitte keinen Zwei-Tage-Krieg!

Greift der Westen jetzt militärisch ein, dann nur, weil er seine Interessen schützen will. Die syrische Bevölkerung spielt keine Rolle.

Möglicher Militärschlag gegen Syrien: Israel will „in aller Härte reagieren“

Die Planung für einen Militärschlag gegen das syrische Regime schreitet voran. Syrien will den Kampf bei einem Angriff aufnehmen. Israel sieht sich gewappnet.