taz.de -- Was wählen, wenn ...: … Sie mies entlohnt werden?

Alle Parteien im Bundestag versprechen Reformen des Arbeitsmarkts. Aber „mehr soziale Gerechtigkeit“ ist ein sehr dehnbarer Begriff.
Bild: Schlecht bezahlt: Fensterputzer im Kanzleramt.

Egal ob Schwarz-Gelb, Rot-Grün oder Rot-Schwarz regieren werden: Knapp sieben Millionen Menschen, die für Niedriglöhne arbeiten, können auf einen Mindestlohn, also auf etwas mehr Geld hoffen. Aber ganz so einfach wird der Weg dahin nicht. Entscheidend ist nicht nur, wie hoch der Mindestlohn ausfällt und für wen er gilt. Sondern auch, wo der Arbeitsmarkt für „mehr soziale Gerechtigkeit“ noch reguliert wird.

SPD, Grüne und Linkspartei sind beim Mindestlohn eindeutig: „mindestens“ 8,50 Euro (SPD und Grüne) oder gleich 10 Euro (Linke) – für alle. Die CDU hingegen will keine einheitliche Lohnuntergrenze, kann folglich über deren Höhe auch nichts sagen.

Denn sie beschwört wie die Liberalen die Autonomie der Tarifpartner – das sind Arbeitgeber und Gewerkschaften –, und begründet damit, warum die Politik keine Vorgaben machen könne. Aber untätig ist sie trotzdem nicht.

So hat die CDU einer möglichen Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern vorgeschrieben: Ihr erarbeitet Mindestlöhne nur für tariflose Bereiche – obwohl einige Tariflöhne, etwa die der viel zitierten Friseurinnen im Osten, gleichfalls im Dumpingbereich liegen. Noch dazu soll der Lohn nach Branchen und Regionen differenziert werden können. Das macht die Union zwar anschlussfähig an die regulierungsphobische FDP. Aber für viele Beschäftigte dürfte sich im Geldbeutel frustrierend wenig tun.

Union und FDP: seid nett zueinander

Dahinter steht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Regierung und Opposition, wenn es um die Deutung des Zustands der sozialen Marktwirtschaft geht. Aus Sicht von Schwarz-Gelb hat die Durchsetzungsmacht von Beschäftigten und Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten nicht gelitten. Demnach hat sich das Machtgefüge nicht zugunsten der Arbeitgeber verschoben, obwohl die Spatzen genau das von den Dächern pfeifen: Die Tarifbindung ist gesunken, Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit oder Minijobs boomen.

Aber durch das Programm von Union und FDP zieht unbeirrt die Idee vom Laisser-faire: Zu viel Stress am Arbeitsplatz? Ältere haben zu wenig Chancen auf eine Stelle? Die Leiharbeit stärker regulieren? Die Tarifpartner sollen bitte nett zueinander sein und es richten, so das Credo von Union und FDP. Und der zunehmende Missbrauch von Werkverträgen oder die 450-Euro-Minijob-Sackgasse sind kein Problem.

Da wird Rot-Rot-Grün konkreter: Betriebsräte sollen mehr Mitbestimmungs- und Verweigerungsrechte erhalten, um bei Leiharbeit und Werkverträgen mitreden zu können. Leiharbeiter sollen die gleichen Rechte und den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte, zum Teil sogar einen Flexibonus (Grüne und Linkspartei) bekommen.

Der Hauch einer Chance

Auch soll es einfacher werden, den jeweils besten Tarifvertrag in einer Branche für allgemein verbindlich zu erklären. Befristungen ohne solch einen „Sachgrund“ wie eine Schwangerenvertretung einer ist, wären mit SPD, Grünen und Linken passé.

Das sind noch nicht alle Punkte. Natürlich ist unklar, was die Opposition davon umsetzten würde. Aber wer für den Hauch einer Chance stimmen möchte, dass sich der Staat auf eine Rolle als Interessenausgleicher zwischen Arbeit-„Geber“ und Arbeit-„Nehmer“ besinnt, dürfte nur noch die Qual haben, sich unter drei von fünf Bundestagsparteien entscheiden zu müssen.

12 Sep 2013

AUTOREN

Eva Völpel

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