taz.de -- Drohnentechnik an Hochschulen: Forschungsobjekt Ausspähung

An deutschen Unis werden Drohnen entwickelt, die zur Überwachung eingesetzt werden können. Kritiker fürchten eine Militarisierung der Wissenschaft.
Bild: Eine Aufklärungsdrohne im Einsatz in Bad Nenndorf (Archivbild)

BERLIN taz | Deutschland sei zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren, tönte Frank-Walter Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Deutschland wolle und werde Impulsgeber sein für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, kündigte der sozialdemokratische Außenminister an. Auch Ursula von der Leyen (CDU) und Joachim Gauck fordern gleichfalls „ein stärkeres außenpolitisches Engagement der Bundesrepublik.“

Die inländischen Hochschulen forschen bereits engagiert im Sinne dieser Ankündigungen. Sagitta wiegt 100 Kilo, ist rund 2,8 Meter lang und ähnelt eher einem Herbstdrachen als einer autonomen Tarnkappendrohne. Sie soll im Schwarm fliegen und Entscheidungen auch ohne menschliche Anweisungen treffen können. In Auftrag gab sie die teilstaatliche Rüstungsfirma EADS. Die Hochschule Ingolstadt, die TU Chemnitz und TU München, die Uni der Bundeswehr in München und das Zentrum für Luft- und Raumfahrt forschen für das Projekt Sagitta.

Das Forschungsprojekt ist nur ein Beispiel von vielen, welche die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen in ihrem zu Beginn des Jahres publizierten Drohnenforschungsatlas auflistet. Der Atlas beschreibt einige der wichtigsten Projekte zur deutschen Drohnenforschung. „Wir erheben jedoch überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn an fast allen deutschen Hochschulen werden Beiträge zur Entwicklung von unbemannt fliegenden Systemen geleistet“, sagt Christoph Marischka, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Zwar gibt es an vielen Unis Zivilklauseln, doch die Institute forschen an Teilprojekten, die sowohl zivil als auch militärisch einzusetzen sind.

So können auch Ergebnisse der Drohnenforschung zur Überwachung der Bevölkerung genutzt werden. Es geht bei den Drohnenprojekten nicht nur darum, Aufnahmen aus der Luft zu schießen, sondern Informationen zu verknüpfen und ihre Relevanz einzuordnen. Die Drohnen sollen lebendige Objekte erkennen können und Personen durch ihre Kleidung und Gangart verfolgen.

Drohnen-Technik ist wichtig für Überwachungskameras

„Die Aufnahmen, die die Drohne macht“, sagt Marischka, „sind mehr als das, was der Mensch sehen würde, wenn er da statt der Drohne fliegen würde.“ Die Drohne arbeitet die Informationen auf und kann lebendige Objekte erkennen oder dreidimensional darstellen. Eine Technik, die auch für normale Überwachungskameras wichtig wird.

Als weiteren Hinweis für die Militarisierung der Hochschulen wertet die Informationsstelle auch die zunehmende Überwachung von Studierenden aus arabischen Ländern, China oder dem Iran.

Sieben Monate saß etwa ein pakistanischer IT-Student in deutscher Untersuchungshaft. Er soll für den pakistanischen Geheimdienst ein Forschungsinstitut in Bremen ausspioniert haben. Der dringende Tatverdacht sei jedoch nicht ausreichend belegt gewesen sein, heißt es vom Bundesgerichtshof. Der Mann wurde im Oktober 2013 aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Sommer durchsuchte die Polizei die Wohnungen zweier tunesischer Männer. Sie studieren Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart.

28 Feb 2014

AUTOREN

Svenja Bednarczyk

TAGS

Drohnen
Bildung
Überwachungstechnik
Hochschule
Verteidigungspolitik
Drohnen
Rüstung
Überwachungstechnik
Militär
Drohnenkrieg
Bundeswehr
Generalbundesanwalt
Hamburg
Ursula von der Leyen
Drohnen
Militär
Euro Hawk
Rüstung

ARTIKEL ZUM THEMA

Zivile Nutzung in den USA: Ein Himmel voller Drohnen

Drohnen sind billiger als ein Hubschrauber und flexibler als Kamerakräne. Deswegen wollen US-Firmen sie nutzen. Die Luftfahrtbehörde prüft nun erstmals diese Anträge.

Auf der Luftwaffen-Show in Berlin: Unter Drohnen

Wer von der Waffen-Industrie die Wahrheit hören möchte, muss auf die Luftfahrtausstellung gehen. Da werden Dinge verraten, die sonst geheim sind.

Voyeurismus via Überwachungskamera: Ich kann dich streamen

Viele Menschen sichern ihre Überwachungskameras nicht mit einem Passwort. Wer will, kann ihnen beim Arbeiten, Fernsehen oder Bügeln zugucken.

Kommentar Drohnenkrieg: Dröhnende Ahnungslosigkeit

Ramstein in der Pfalz ist ein wichtiger Stützpunkt für den Drohnenkrieg der USA. Die Rolle deutscher Behörden dabei muss dringend geklärt werden.

Ramstein und der US-Drohnenkrieg: Keine rechtliche Handhabe

Der US-Flugplatz Ramstein in Rheinland-Pfalz spielt eine zentrale Rolle im Drohnenkrieg der USA. Rechtlich scheint es schwer zu sein, dagegen vorzugehen.

Dicke bei der Bundeswehr: Kugelfänger Körperklaus

Körperliche Fitness könnte bei der Bundeswehr bald kein Auswahlkriterium mehr sein. Steckt dahinter womöglich psychologische Kriegsführung?

Generalbundesanwalt über Spionage: „Wir sind nicht die NSA“

Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner seien notwendig, sagt Generalbundesanwalt Harald Range. Neidisch auf die NSA ist er aber nicht.

Militaria im Hamburger Hafen: Verbale Abrüstung

Helmut Schmidt hat danach verlangt, die Hamburgische Bürgerschaft gehorcht: Über Rüstungsexporte, die den Hamburger Hafen passieren, wird wieder debattiert.

Wegen Eurofighter und Euro Hawk: Von der Leyen greift durch

Personalwechsel im Bundesverteidigungsministerium: Staatssekretär Beemelmans und Rüstungs-Abteilungsleiter Detlef Selhausen müssen gehen.

Notlandung einer Aufklärungsdrohne: Hightech am Fallschirm

Die Bundeswehr verliert in einer Trainingsmission den Kontakt zu einer unbemannten Drohne. Am Ende bleibt nur noch die Sicherheitslandung.

Niedersächsische Hochschulen: 100 militärische Forschungsprojekte

Rüstungskonzerne, Bundeswehr und Ministerien: Sie alle haben zehn niedersächsische Hochschulen mit Forschung in Sachen Krieg beauftragt. Transparenz? Mangelhaft.

Nach „Euro Hawk“-Skandal: Ministerium sucht Alternativen

Der „Euro Hawk“ ist ausgemustert, aber die Bundeswehr soll trotzdem eine Drohne bekommen. Nun sucht das Verteidigungsministerium nach Alternativen.

Bremens Beitrag zur Flüchtlings-Abwehr: „Drehscheibe für Drohnen“

Was Bremen mit Lampedusa verbindet: Die Hansestadt ist ein Hotspot bei der Entwicklung von Techniken, um Flüchtlinge an Europas Grenzen abzuwehren-