taz.de -- Dicke bei der Bundeswehr: Kugelfänger Körperklaus

Körperliche Fitness könnte bei der Bundeswehr bald kein Auswahlkriterium mehr sein. Steckt dahinter womöglich psychologische Kriegsführung?
Bild: Runde müssen rollen für den Sieg.

Ich war immer der Letzte auf der Bank. Im Sportunterricht, wenn die Mannschaften gewählt wurden. Denn ich war dick und ungelenk. Aber eines Tages, davon war ich überzeugt, würde ich für die erlittenen Demütigungen entlohnt werden. Am Tag der Musterung nämlich. Wenn die Klassendeppen, also die Sportlichen, sich alle schön als Kanonenfutter in die passenden Tauglichkeitsstufen wegsortieren und für anderthalb Jahre zu würdelosen Befehlsempfängern abkommandieren lassen würden, schlüge meine Stunde.

Am Ende allerdings gehörte ich dann zu den wenigen, die T2 und damit voll einsatztauglich gemustert worden waren, während die ganzen Sport-Cracks in irgendwelche gemütlichen Innendienstklassen oder gleich ganz ausgemustert zu Hause saßen, weil sie mit ihrem dauernden Herumgehopse beim Fußball, Ski oder Volleyball schon allesamt ihre Bänder, Knie oder Rücken ruiniert hatten.

Hastig und fluchend schrieb ich meine Verweigerung, um die Erkenntnis reicher, dass sich die Bundeswehr offenbar einen Dreck um drahtige Soldaten schert, sondern praktisch jeden Körperklaus irgendwo als Kugelfänger hinzustellen gedenkt.

Da erstaunt es schon ein bisschen, dass Ursula von der Leyen nun eine Überprüfung der Eignungsmerkmale für die Bundeswehr ankündigt, besonders in Bezug auf die körperliche Fitness: „Es stellt sich die Frage, ob jeder einzelne Soldat und jede einzelne Soldatin, gleich welche Aufgabe sie im Riesenkonzern Bundeswehr ausfüllt, tatsächlich einen langen Marsch mit schwerem Gepäck bewältigen können muss.“

Was soll das denn jetzt? Ist das schon die Generalmobilmachung, damit wir bei dem Nationalstaatsquatsch zwischen irgendwelchen homophoben Arschlöchern auf der einen und antisemitischen Neofaschisten und Hefezopf-Oligarchinnen auf der anderen Seite um ohnehin völlig absurde Grenzziehungen mitmachen können? Was denkt Frau von der Leyen sich dabei?

Runde müssen rollen für den Sieg

Vielleicht dieses: Runde müssen rollen für den Sieg, und wenn es jetzt wieder gilt, unsere überlegenen westlichen Werte dem Taliban am Hindukusch oder demnächst dann dem Iwan auf der Krim auch militärisch näherzubringen, macht sich eine Infanterie in Uniformen gepresster Wohlstandswonneproppen womöglich psychologisch eindrucksvoller als halbverhungerte Heringe, die aussehen, als kämen sie direkt aus der sozialistischen Mangelwirtschaft. Psychologische Kriegsführung quasi.

Wahrscheinlich ist Frau von der Leyen aber viel raffinierter. Denn klar: Die ganzen auf Befehl stramm stehenden Marschkörper sind natürlich nach wie vor unentbehrlich, [1][//www.youtube.com/watch?v=boNRVXR7bqg:damit irgendwelche Herumkrakeeler auch ein bisschen was zum Herumkrakeelen haben], aus Folklore- wie Beschäftigungsgründen braucht man eben immer noch ein paar Abteilungen für Schützengraben und Kessel. Irgendwo müssen sie ja auch hin, die putinesken Typen, die gerne mit nacktem Oberkörper das Alphamännchen geben. Aber wer wird denn tatsächlich die Kriege der Zukunft entscheiden? Diese Schlammspringer etwa? Im Leben nicht.

Denn die kriegsentscheidenden Schläge kommen dann garantiert von den Drohnen steuernden Nerds am Joystick, die schon in Kindertagen, während die anderen draußen Cowboys und Indianer spielten, lieber kleine, ferngesteuerte Killermaschinen durch Wüstencanyons und Gebirgsschluchten gelenkt haben. Deren soldatische Primärtugenden sich also umstandslos an der Platzierung in der High-Score-Liste ablesen lassen. Statt der Nullen im Feld Nullen und Einsen am Bildschirm. Leute eben, die keine Bundeswehrkekse brauchen, sondern Chipstüten.

Man sollte das im Hinterkopf behalten, wenn Frau von der Leyen demnächst wieder von einer zukunftsfähigen Armee redet.

25 Mar 2014

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Heiko Werning

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