taz.de -- Kampf gegen IS in Syrien und Irak: Barack Obama hat noch keinen Plan

Die USA suchen nach einer Strategie gegen die Terrormiliz. Möglich sei ein Bündnis mit Staaten in der Region. In Syrien ist die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht.
Bild: Wie werden Irak und Syrien die Dschihadisten wieder los? Obama hat auch keine zündende Idee

WASHINGTON/DAMASKUS/GENF dpa | USA suchen nach den Worten von Präsident Barack Obama nach einer Strategie für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). „Wir haben noch keine Strategie“, sagte er am Donnerstag in Washington. Teil der Lösung müsse es sein, ein Bündnis mit betroffenen Ländern zu schmieden, die gemeinsam gegen IS vorgingen. Er habe Außenminister John Kerry gebeten, dafür in die Region zu reisen. Verteidigungsminister Chuck Hagel habe er zudem angewiesen, „eine Reihe von Optionen“ für Militärmaßnahmen vorzulegen.

Zuletzt war spekuliert worden, ob die USA ihre derzeitigen Angriffe gegen IS im Irak auch auf Syrien ausdehnen. Obama machte aber keine Andeutungen, ob dies bald der Fall sein könnte. Er werde weiter mit seinem Nationalen Sicherheitsrat über eine umfassende Strategie sprechen und weitere Schritte erst auch mit dem Kongress beraten. „Wir müssen sicher sein, klare Pläne zu haben“ sagte er. Der Fokus bleibe, die Terrormiliz im Irak zu besiegen, aber es sei auch nötig, „Syrien in gewisser Art zu stabilisieren“.

Zuvor hatte die arabische Tageszeitung Al-Sharq al-Awsat berichtet, dass die USA ein Bündnis mit anderen westlichen und arabischen Staaten schmiedeten, um Angriffe auf den IS in Syrien vorzubereiten. Zudem solle der Militäreinsatz gegen sie im Nachbarland Irak ausgedehnt werden. Eine offizielle Bestätigung für den Bericht gab es nicht.

Republikaner und Demokraten in den USA wollen den Kongress über mögliche Militäraktionen in Syrien abstimmen lassen. Sie seien besorgt über das brutale Vorgehen des IS, schrieben die Demokraten James McGovern und Barbara Lee sowie der Republikaner Walter Jones. Der laufende Einsatz im Irak scheine aber über die eigentlich geplante, begrenzte Mission hinauszugehen, hieß es in ihrem gemeinsamen Brief an den Republikanerführer John Boehner.

Deutschland hat bereits klargemacht, dass es für solche Einsätze keine Soldaten stellen will. Geplant sind jedoch Waffenlieferungen an die Kurden im Norden des Irak. Auf Wunsch der Opposition soll darüber nächste Woche nun doch der Bundestag abstimmen. Die Entscheidung liegt jedoch weiterhin bei der schwarz-roten Bundesregierung allein.

US-Aufklärungsflüge in Syrien

Dem arabischen Zeitungsbericht zufolge könnten zu der Koalition gegen die IS Großbritannien, Australien, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören. Auch die Hilfe der Türkei sei erwünscht, da deren Militärstützpunkte für Einsätze im Nachbarland wichtig wären. Bislang fliegen die USA nur im Nordirak Angriffe auf die Extremisten. Die USA hatten jedoch schon vor einigen Tagen mit Aufklärungsflügen über Syrien begonnen, um IS-Stellungen auszukundschaften.

Über die geplanten deutschen Waffenlieferungen in den Irak will die Bundesregierung an diesem Sonntag endgültig entscheiden. Am Montag gibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu vor dem Bundestag eine Regierungserklärung ab. Union und SPD einigten sich auf einen Antrag, der den Regierungskurs unterstützen soll. Die Abstimmung hat aber nur symbolischen Wert. Anders als bei Auslandseinsätzen hat das Parlament bei Waffenlieferungen kein Mitspracherecht.

Die Bundesregierung prüft die Lieferung von Handfeuerwaffen und panzerbrechenden Waffen an die Peschmerga für ihren Kampf gegen die IS-Miliz. Zur Koordinierung trafen bereits sechs Bundeswehr-Soldaten in Erbil ein. Die Stadt im Nordirak gilt im Gegensatz zur irakischen Hauptstadt Bagdad als sicher. Die Kämpfe zwischen den kurdischen Peschmerga-Streitkräften und der IS sind 170 Kilometer von Erbil entfernt. Anschläge gibt es dort nur sehr selten.

UN-Flüchtlingskommissar: Die Welt versagt

Laut der Vereinten Nationen spitzt sich die Situation der Bürgerkriegsflüchtlinge in Syrien dramatisch zu. Inzwischen sei fast die Hälfte aller Syrer wegen der Gewalt auf der Flucht oder aus den Heimatorten vertrieben worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR geht nach neuesten Zahlen von drei Millionen Flüchtlingen aus. 6,5 Millionen Menschen seien innerhalb Syriens auf der Suche nach Sicherheit. Unter den entwurzelten Menschen seien ganz viele Kinder, teilte das Flüchtlingshilfswerk am Freitag in Genf mit.

„Die Krise in Syrien ist zum größten humanitären Notfall unserer Zeit geworden, aber die Welt versagt dabei, den Menschen und den Ländern, in die sie flüchten, zu helfen“, sagte der UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. Selbst großzügige Angebote reichten nicht aus. „Die bittere Wahrheit ist, es ist zu wenig“, sagte Guterres. Zu den bisher gespendeten 3,1 Milliarden Euro würden zusätzlich bis Jahresende noch einmal 1,5 Milliarden Euro gebraucht, um die Flüchtlinge über den Winter zu bringen.

Laut UNHCR passieren die Menschen die Grenzen immer öfter total erschöpft, im Schockzustand, völlig verängstigt und ohne Ersparnisse. Die meisten seien seit mindestens einem Jahr auf einer Odyssee von Dorf zu Dorf gewesen, bevor sie sich endgültig zur Flucht entschlossen haben. Die Flucht selbst werde immer schwerer. Die Familien würden gezwungen, die Grenzposten zu bestechen oder Menschenschmuggler zu bezahlen.

Inzwischen lebten im Libanon 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge, in der Türkei 815.000, in Jordanien 600.000. Dort explodierten in einigen Regionen die Lebensmittelpreise, koste ein Brot mehr als zehnmal so viel wie vor einem Jahr, berichteten die UN weiter. Die Hilfsoperation sei inzwischen das größte Projekt in der 64-jährigen Geschichte des Flüchtlingshilfswerks.

29 Aug 2014

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