taz.de -- Deutschland düpiert EU-Kommission: Schäuble fördert nicht jeden Europäer

Es gibt Streit über den milliardenschweren Investitionsplan der EU von Kommissionspräsident Juncker: Deutschland plant ein Gegenprogramm.
Bild: Hier haben sie sich noch lieb: Wolfgang Schäuble und Jean-Claude Juncker.

BRÜSSEL taz| In der EU könnte es bald zwei konkurrierende Investitionsprogramme geben – ein deutsches und ein europäisches. Dies zeichnet sich nach einer turbulenten Sitzung der EU-Finanzminister in Brüssel ab. Der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte es dabei ab, einen nationalen Beitrag zum geplanten 315-Milliarden-Fonds der EU zu leisten – und kündigte ein eigenes Programm an.

Offiziell begrüßte die EU-Kommission die Ankündigung der Bundesregierung, im Zusammenhang mit dem neuen Fonds für mehr Investitionen in Europa 8 Milliarden Euro bereitzustellen. Er sei durch die Zusage „sehr ermutigt“, sagte Vizekommissionspräsident Jyrki Katainen am Mittwoch in Brüssel.

Tatsächlich hatte Schäuble die Europäer düpiert. Er plane mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einen „zusätzlichen Kreditrahmen“ in Höhe von 8 Milliarden Euro, sagte der Finanzminister. Die Gelder sollten allerdings „ergänzend zum europäischen Fonds zusätzliche Finanzierungen von Investitionen und Projekten“ vor allem über die staatliche deutsche Förderbank KfW ermöglichen.

Für Kommissionschef Jean-Claude Juncker bedeutet dies einen schweren Rückschlag. Juncker hatte mehrfach um nationale Beiträge für seinen Investitionsplan geworben, um die Wirkung zu erhöhen. Bisher gleicht der Plan nämlich einem spekulativen Hedgefonds: Aus gerade mal 21 Milliarden Euro will Juncker mithilfe eines „Finanzhebels“ Investitionen in Höhe von 315 Milliarden zaubern. Dafür nimmt er 8 Milliarden Euro aus der EU-Kasse – also genauso viel, wie Schäuble aus dem deutschen Budget aufbringen will.

Junckers Rechnung geht nicht auf

Das EU-Geld geht zum Teil vom Forschungsbudget ab, was für erheblichen Ärger sorgt. Juncker hatte allerdings gehofft, sein Programm durch nationale Beiträge aufstocken und effizienter machen zu können. Diese Rechnung geht aber nicht auf – noch kein einziges EU-Land hat einen Eigenbeitrag genannt. Und selbst Staaten wie Frankreich oder Italien, die dem Juncker-Plan positiv gegenüberstehen, zögern.

Auch das hat mit der deutschen Position zu tun: Schäuble besteht nämlich darauf, dass die Politik keinen Einfluss auf den EU-Fonds nimmt und Investitionen nicht einmal regional gesteuert werden. Das bedeutet in der Praxis, dass eine Regierung, die in den Juncker-Plan investiert, nicht sicher sein kann, damit Investitionen im eigenen Land auszulösen. Schäuble möchte so sicherstellen, dass unter Leitung des deutschen Chefs der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, nur die besten Projekte gefördert werden.

Doch bei der bundeseigenen KfW gelten diese strengen Regeln nicht. Am Ende könnte es also nicht nur zwei Investitionspläne, sondern auch zwei Klassen in Europa geben – mit Deutschland in der ersten und der restlichen EU in der Holzklasse. Beim Treffen der Finanzminister Anfang der Woche soll es deshalb hoch hergegangen sein. Junckers Plan soll nun im Juni verabschiedet werden.

Vordergründig zeigte sich Junckers Vize Katainen am Mittwoch in Brüssel überzufrieden. Dass Deutschland nicht direkt in den Fonds einzahle, schmälere das Engagement nicht, sagte er. Beide Wege seien mit dem neuen Fonds möglich. Das Ergebnis sei „mehr oder weniger dasselbe“.

29 Jan 2015

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Euro-Krise
EU-Kommission
Jean-Claude Juncker
Wolfgang Schäuble
EU
Wolfgang Schäuble
Bundestag
Konjunktur
Europäische Union
EU
Europa

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Liebeserklärung: Die Bedeutung von Null

Wolfgang Schäuble nimmt 600 Milliarden jährlich ein, trotzdem spart er, wo es nur geht. Und wir? Finden ihn alle toll. Dank seiner Propaganda.

Bundestag beschließt Haushalt für 2015: Ohne Schulden

Profitiert Schwarz-Rot von niedrigen Zinsen und hohen Steuereinnahmen? So sieht es die Opposition. Der erste ausgeglichene Haushalt seit 1969 ist nun verabschiedet.

Zoff um EU-Investitionsprogramm: Päckchen statt Paket

Mit 300 Milliarden Euro will EU-Kommissionschef Juncker die Wirtschaft ankurbeln. Doch das Investitionsprogramm könnte schrumpfen – auf ein Fünfzehntel.

Kommentar EU-Haushalt: Peinlicher Budgetstreit

Die Verhandlungen über den Haushalt der Europäischen Union sind gescheitert. Die EU verliert damit ein weiteres Stück an Glaubwürdigkeit.

EU-Haushalt für 2015 scheitert: Sparkurs stürzt Brüssel in die Krise

Einigen sich die Unterhändler nicht bis Weihnachten, droht ein Notbudget. Vor allem Arbeitslose, Forscher und Landwirte dürften leiden.

Herbstprognose der EU: Aufschwung nicht schnell genug

Die Belebung verzögert sich, sagt das Gutachten der neuen EU-Kommission. Erst 2016 soll die Konjunktur anziehen. Vor allem Frankreich bereitet Sorgen.