taz.de -- Nach Kommunalwahl in der Türkei: Opposition fordert neue Auszählung

Nach Vorwürfen der Wahlfälschung in der Türkei könnte die AKP doch noch Ankara verlieren. Die Opposition spricht von Unregelmäßigkeiten bei 150 Urnen.
Bild: Anhänger der CHP demonstrieren am Dienstag in Ankara.

ISTANBUL taz | Zwei Tage nach der Kommunalwahl in der Türkei hat die Opposition in mehreren Städten des Landes am Dienstagnachmittag rechtzeitig vor dem Ablauf der Einspruchsfrist Beschwerde bei den zuständigen Wahlkommissionen erhoben. In Istanbul und Ankara fordert die knapp unterlegene Republikanische Volkspartei (CHP) eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen.

Der Kandidat der CHP in Istanbul, Mustafa Sarigül, berichtete, eine parteiinterne Nachprüfung der Wahlzettel und der Abgleich mit den offiziellen Wahlergebnissen habe ergeben, dass bei mindestens 150 Wahlurnen das Ergebnis zugunsten der regierenden AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verfälscht worden sei.

Wesentlich brisanter als in Istanbul, wo nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis der Kandidat der AKP, Kadir Topbas, mit 7 Punkten Vorsprung gewonnen hat, ist die Situation in Ankara. Hier beträgt der Unterschied zwischen AKP und CHP weniger als 1 Prozent.

Freiwillige Helfer hatten seit Montagmittag die Wahlergebnisse jeder Urne mit den von der Wahlkommission veröffentlichten Ergebnissen verglichen. Nach Abschluss der Wahl müssen die Wahlleiter in jedem Wahllokal ein Protokoll der Ergebnisse jeder Wahlurne erstellen und Durchschläge davon auch den als Beobachtern anwesenden Parteienvertretern übergeben. Anhand dieser Durchschläge und den offiziellen Wahlergebnissen in jedem Bezirk konnten die Helfer feststellen, ob das Ergebnis in den offiziellen Listen korrekt wiedergegeben ist.

48 Stunden Zeit zur Prüfung

Dabei ergaben sich Hunderte bewusster Fälschungen, was dazu führte, dass sich bis Dienstagmittag Tausende Demonstranten vor der zentralen Wahlkommission in Ankara versammelten und eine Annullierung der Ergebnisse verlangten.Gegen die Protestierenden ging die Polizei mit Wasserwerfern vor.

Die einzelnen regionalen Wahlkommissionen haben nun 48 Stunden Zeit, die Einsprüche zu überprüfen und gegebenenfalls eine Neuauszählung der Stimmen anzuordnen oder aber die Einsprüche abzuweisen.

Obwohl die Fülle der beanstandeten Ergebnisse enorm ist und einige dreiste Fälschungen schon in der Wahlnacht nachgewiesen werden konnten, wird das Gesamtergebnis von möglichen Neuauszählungen wohl nicht mehr in Frage gestellt werden können, auch wenn bereits etliche Oppositionspolitiker das verlangen.

Brisant ist aber die Lage in Ankara. Lässt die Wahlkommission hier eine Neuauszählung der Stimmen zu, könnte die Hauptstadt doch noch an die Opposition gehen, was für Erdogan eine erhebliche Schlappe wäre. Die endgültige Entscheidung soll bis zum 9. April erfolgen.

1 Apr 2014

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Jürgen Gottschlich

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