taz.de -- Berlins CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde: Todesstern der Verkehrswende

Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) ist seit genau einem Jahr im Amt. Ihre Bilanz ist verheerend, sie agiere völlig konzeptionslos, sagen Kritiker:innen.
Bild: Krise? Welche Krise? Ute Bonde besichtigt die marode A100-Brücke

Berlin taz | Wenn selbst dem ADAC kaum Positives einfällt zur bisherigen Bilanz von Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde, sollte sich die CDU-Politikerin vielleicht Gedanken machen. „Beim Thema Verkehrssicherheit arbeiten wir gut mit ihr zusammen“, sagt ADAC-Vorstand Martin Koller. Das war es dann aber auch schon.

„Wir können nur hoffen, dass sich einiges in der Zukunft zum Besseren wendet, aber sind da skeptisch“, sagt der Vertreter der Autofahrer:innen, als deren natürlicher Verbündeter sich die Berliner CDU gern anpreist.

An diesem Freitag ist es ein Jahr her, dass Ute Bonde in der schwarz-roten Berliner Landesregierung neue Chefin der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wurde. Ihre Vorgängerin Manja Schreiner, ebenfalls CDU, war nach nur einem Jahr im Amt über Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit gestürzt.

Auch ansonsten galt Schreiners Agieren an der Spitze der Mammutbehörde [1][als glücklos bis kontraproduktiv, Stichwort Radwegestopp]. Es hätte mit Ute Bonde also nur besser werden können. Wurde es aber nicht.

Grüne: Bonde „will nicht, kann nicht, darf nicht“

Martin Koller vom ADAC attestiert der Senatorin, dass es ihr mit Blick auf seinen Bereich nicht nur an Konzepten fehle, sondern auch an der Zielstrebigkeit, überhaupt etwas anzustoßen. Für den maroden Zustand der Brücken könne Bonde zwar nichts. Notwendige Sanierungen seien schon in den Jahren zuvor wegignoriert worden.

„Wir befürchten aber, dass es da weitere Probleme geben wird, weil das nicht konzentriert angegangen wird“, sagt Koller am Dienstag bei einer Ein-Jahres-Bilanz von Bondes Politik im Abgeordnetenhaus. Eingeladen hatte die oppositionelle Grünen-Fraktion.

Ob ADAC, Radfahrer:innen-Verein ADFC, Fahrgastverband Igeb oder Bund für Umwelt und Naturschutz BUND: Niemand auf dem Podium lässt ein gutes Haar an der Senatorin. Erst recht nicht der Gastgeber, Grünen-Fraktionschef Werner Graf. „Will nicht, kann nicht, darf nicht“: Das seien die sechs Wörter, die ihm zur Arbeit der Verkehrssenatorin einfallen.

Die Palette ihrer Fehlentscheidungen reicht laut Graf vom Baustopp für Radschnellwege bis zum jüngsten [2][Großangriff auf die Verkehrsberuhigung in den Bezirken durch die Streichung der Planungsmittel für Kiezblocks]. Grafs Fazit nach einem Jahr Bonde: „Der Senat streicht radikal bei der Verkehrswende.“

Mit Vorschusslorbeeren gestartet

Dabei war die Senatorin vor einem Jahr von den Grünen noch mit Vorschusslorbeeren bedacht worden. Als Frau vom Fach lobte Graf seinerzeit die vormalige Chefin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB). Als eine, die in der Lage sei, „Mobilität über die Grenzen Berlins hinaus zu denken“.

Bonde hatte freilich auch entsprechende Erwartungen geweckt. So dachte sie laut darüber nach, eine City-Maut oder eine Pflichtabgabe für Unternehmen einzuführen, um mit den Einnahmen den ÖPNV-Ausbau zu stärken.

Dann ging alles seinen christdemokratischen Gang. Die CDU-Fraktion räumte Bondes Ideen einer „dritten Finanzierungssäule“ für den Nahverkehr wieselflink ab. Die Senatorin ihrerseits wollte plötzlich nie über eine Maut oder andere Abgaben sinniert haben. Die alte Autoordnung war wiederhergestellt. Bondes Kritiker:innen sagen: Von nun an ging’s bergab.

Kommunikatives Feingefühl ist nicht ihr Ding

Bald war zudem klar, dass es ihr nicht nur an eigenen Konzepten fehlt, sondern auch an kommunikativem Feingefühl. Auf die schon im Sommer vergangenen Jahres allgegenwärtigen Fahrgastklagen über Verspätungen bei der BVG [3][reagierte sie mit der lapidaren] Bemerkung: „Da müssen wir eine andere Haltung bekommen. In anderen Städten fährt die U-Bahn alle 10, alle 15 Minuten.“

Manche Fahrgäste waren allerdings bald froh, wenn tatsächlich nach 15 Minuten eine Bahn kam. [4][Anfang dieses Jahres bilanzierte dann auch die BVG in ungewohnter Offenheit], dass ein störanfälliger Fuhrpark, Personalmangel und ein hoher Krankenstand „zu überfüllten Zügen, langen Wartezeiten“ und damit zu einer immer stärkeren „Unzufriedenheit der Fahrgäste“ führe.

Bonde erklärte dagegen, dass alles rund laufe bei den landeseigenen Verkehrsbetrieben. „Endlich gibt es einen Senat, der den richtigen Weg einschlägt. Es gibt nichts zu meckern“, sagte sie im Februar im Abgeordnetenhaus. Und fragte: „Krise? Welche Krise?“

Ignoranz beim Umwelt- und Klimaschutz

Was angesichts der Daueraufreger Brücken und Bahnen inzwischen fast vergessen wird: Die 58-Jährige ist qua Amt ja nicht nur für den Verkehrsbereich, sondern auch für den Umwelt- und Klimaschutz zuständig.

[5][Während ihre Vorgängerin Manja Schreiner noch ein gewisses Interesse an dem Thema erkennen ließ], dominiere bei Bonde Ignoranz; dass in ihrem Haus im Zuge der Haushaltskürzungen des vergangenen Jahres insbesondere der Klimaschutzetat brachial rasiert wurde, passe ins Bild, klagen Umweltverbände.

Der Umweltschutz sei in der zuständigen Senatsverwaltung zwar auch zuvor gern wie „ein Stiefkind“ behandelt worden, sagt Nicolas Šustr, der Sprecher des BUND Berlin. Aber Bonde lasse den Bereich gänzlich unter die Räder kommen. Das sei umso alarmierender, als in ihrer Verwaltung alle Themen miteinander verknüpft sind.

„Ihr Agieren als Todesstern der Verkehrswende hat natürlich große Auswirkungen auf den Umwelt- und Klimaschutzbereich“, sagt Šustr. Sein Verband blicke jedenfalls schon jetzt mit großer Sorge auf den kommenden Doppelhaushalt 2026/27.

20 May 2025

LINKS

[1] /Berlins-CDU-Verkehrssenatorin-Schreiner/!6008045
[2] /Aus-fuer-Kiezblock-Projekt/!6088208
[3] /Berlin-aus-dem-Takt/!6034321
[4] /Verkehrsbetriebe-in-der-Krise/!6071491
[5] /Baumpflanzaktion-in-Berliner-Waeldern/!5999112

AUTOREN

Rainer Rutz

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Ute Bonde
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Verkehrswende
BVG
Umweltschutz
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
ADAC
Grüne Berlin
Ute Bonde
BVG
Verkehrsplanung
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Verkehrspolitik
BSR
Verkehrswende
A100
Treptow-Köpenick
Ute Bonde
Ute Bonde
BVG
Klima

ARTIKEL ZUM THEMA

Wieder eine Berliner Brücke marode: Einschränkungen auf der Gertraudenbrücke

Auch die Gertraudenbrücke in Mitte ist marode. Sie wird ab sofort für schwere Fahrzeuge gesperrt. Das betrifft auch die Busse der BVG.

Berliner Verkehrsbetriebe: Gute Nachrichten aus dem Untergrund

Die BVG vermeldet positive Entwicklungen beim U-Bahn-Betrieb. Und im kommenden Jahr sollen Hunderte neue Fahrzeuge die Bahn- und Busflotten ergänzen.

Verkehrspolitik der CDU in Berlin: Gefährliche Planungsdetails

Die lange geplante Umgestaltung der Torstraße in Mitte wird konkreter – und wieder nur vom Auto her gedacht, finden KritikerInnen der Pläne.

Kiezblock-Stopps durch Ute Bonde: Vertrag ignoriert – teuer bezahlt

Eine Akteneinsicht deckt Fehlverhalten der Verkehrssenatorin bei dem Finanzierungsstopp für Kiezblocks auf. Das kostet Berlin viel Geld.

S-Bahn-Chaos in Berlin: Ute Bonde auf dem Gipfel

Nach den Chaos-Wochen bei der Berliner S-Bahn verspricht das Unternehmen Besserung. CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde irrlichtert derweil weiter.

Die Wochenvorschau für Berlin: Ute Bonde hält die Stellung

Berlins Verkehrs- und Umweltsenatorin sorgt erst für Sauberkeit, guckt sich dann einen Anquatschautomaten an und lässt es zuletzt bei der BVG krachen.

Gastkommentar von Oliver Schwedes: Die Partei der Nein-Sager sollte mehr „Miteinander“ wagen

Mit dem Stopp der Kiezblocks beweist die CDU verkehrspolitische Planlosigkeit. Dabei steht die Verkehrsberuhigung für das viel propagierte Miteinander.

Senat streicht Kiezblock-Mittel: Senat blockt Geld für Kunger-Kiez

Das Viertel um die Karl-Kunger-Straße in Alt-Treptow ist das nächste Opfer der Kiezblock-Kehrtwende von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU).

Brücken-Schrott im Berliner Südosten: Berlin endlich mal erstklassig – wenn auch nur im Abreißen

Die stark geschädigte Brücke an der Wuhlheide wird schneller abgerissen als gedacht. Bereits Ende kommender Woche sollen wieder Trams fahren können.

Kein Geld mehr für Kiezblocks: „Diese Senatorin will Veränderung verhindern“

CDU und Senat sollten die Maßnahmen für Verkehrssicherheit nicht torpedieren, findet die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann.

Aus für Kiezblock-Projekt: Geldfluss abgeklemmt, Partner düpiert

CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde lässt ein Kiezblock-Modellprojekt in Mitte vor die Wand fahren. Die Reaktionen: Fassungslosigkeit und Ärger.

Verkehrsbetriebe in der Krise: BVG macht massiv Miese

Die landeseigene BVG hat 2024 einen Verlust von fast 56 Millionen Euro eingefahren. Auch für das laufende Jahr sehen die Prognosen düster aus.

Klimaschutz in Berlin unter CDU und SPD: Nichts als heiße Luft

Mit der aktuellen Finanzplanung verabschiedet sich Berlins Senat endgültig von seinen großen Zielen beim Klimaschutz. Selbst in der SPD rumort es.