taz.de -- Konstruktive Männlichkeit – Ost und West: Männer weinen nicht und leiden einsam!
Was bedeutete es, als Junge in der DDR aufzuwachsen? Und wie sieht es im Westen aus? Ein Sozialarbeiter und ein Spezialist in Gender Studies im Gespräch.
In der neuen Folge von „Mauerecho“ gehen Hagen Bottek, Sozialarbeiter und Vorstandsvorsitzender der [1][LAG Jungen- und Männerarbeit Thüringen] und Fabian Ceska, Mitbegründer von [2][Detox Identity] gemeinsam mit Moderator Dennis Chiponda der Frage nach, wie Männlichkeit geprägt wird – und wie wir sie neu denken können. Welche Rollenbilder haben sie als Heranwachsende beeinflusst, und wie lassen sie sich hinterfragen?
Bottek schildert seine behütete Kindheit in der Sächsischen Schweiz, wo Männlichkeit durch Disziplin, Sport und den ideologisch geprägten Schulunterricht der DDR definiert wurde. Ceska kontrastiert dies mit seiner multikulturellen Sozialisation in Wien, geprägt von den Gegensätzen zwischen indisch-vietnamesischer Armutserfahrung und österreichischer Adelskultur. Trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe verbindet beide eine prägende Erfahrung: der Sport. Ob Fußball oder Rugby – der Wettkampf förderte früh Muster wie Härte, Konkurrenzdenken und emotionale Verhärtung. „Im Leistungssport wird Wettbewerb und Durchsetzungsfähig eingeübt“, sagt Fabian Ceska, „ich habe andere im Fußballverein so angeschrien, dass sie weinen mussten“.
Doch wo gibt es Unterschiede zwischen Ost und West? Bottek stellt klar, dass es weniger geografische Grenzen sind, die Männlichkeitsbilder formen, als vielmehr soziale Faktoren wie Bildung, finanzielle Ressourcen und Milieuzugehörigkeit. Dennoch: „In de DDR war das Kabinett männlich geprägt. Natürlich gab es Frauen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg“, sagt Botten, „sie wurden an Ehrentagen geehrt, aber sonst spielten Frauen nicht so eine große Rolle in der Politik“. Ceska ergänzt, dass Popkultur und soziale Medien heute eine neue, globale Dimension schaffen – von hypermaskulinen Fußballstars wie Christiano Ronaldo, bis hin zu toxischen Influencern, die jungen Männern ein problematisches Ideal von Stärke vermitteln. Gruppenzwang, Alkohol und die Unsichtbarkeit männlicher Verletzlichkeit ziehen sich durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Die eigentliche Frage: Wie lassen sich Muster durchbrechen?
Die Gäste analysieren strukturelle Ursachen und diskutieren neue Lösungswege. Besonders in ländlichen Regionen fehlt es oft an sicheren Räumen, in denen Männer offen über Ängste, Unsicherheiten oder emotionale Verletzungen sprechen können, sagt Bottek. Gleichzeitig zeigt sich, dass Männlichkeit nicht nur entlang von Ost-West-Grenzen, sondern auch in intersektionalen Brüchen verhandelt wird: soziale Klasse, Migration und queere Identitäten spielen eine wesentliche Rolle, so Ceska. Während Bottek für spielerische Vorbilder in der Männerarbeit plädiert und betont, dass Offenheit eine Stärke ist, setzt Ceska auf eine neue Erzählweise, die Feminismus für junge Männer greifbar macht – nicht als Bedrohung, sondern als Chance.
Am Ende der Folge steht die Frage: Wie können wir selbst aktiv werden? Welche Männlichkeitsbilder prägen unser Denken, und wie können wir sie reflektieren? Was bedeutet Solidarität unter Männern, jenseits von Konkurrenz? Und was können wir von queeren oder migrantischen Perspektiven auf Männlichkeit lernen? Als abschließenden Rat geben die beiden Gäste jungen Männern ein paar Worte auf den Weg: Ob sie nun Nagellack oder Tanz statt Fußball ausprobieren, oder ob sie sich ein Herz fassen und auf problematische Aussagen ihrer Freunde reagieren – am Ende geht es beim Bewusstwerden über die eigene toxische Männlichkeit nicht um Schuld, sondern um Verantwortung.
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [3][taz Panter Stiftung]. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt Ann Toma-Toader von der Redaktion sowie unserem Tonmeister Daniel Fromm.
30 Mar 2025
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