taz.de -- Arbeitsbedingungen in Südasien: Schiffsrecycling kostete 2024 neun Menschenleben

Schiffe werden hauptsächlich in Südasien verschrottet. Die NGO Shipbreaking Platform warnt vor den dortigen Arbeits- und Umweltschutzbedingungen.
Bild: Billige Arbeiter und schlechter Umwelt- und Arbeitsschutz ist der Grund, warum die meisten Schiffe in Südasien recycelt werden

Berlin taz | Die meisten Schiffe auf der Welt werden weiter in Südasien verschrottet. Wegen mangelnden Arbeitsschutzes seien dabei vergangenes Jahr neun Menschen ums Leben gekommen. Dies geht aus einer Studie der Nichtregierungsorganisation [1][Shipbreaking Platform] hervor, die der taz vorliegt. Demnach kam es zudem zu 45 Verletzten. Einer der schlimmsten Unfälle ereignete sich demnach in Chattogram (Chittagong) in Bangladesch. Während der Verschrottung eines Öltankers sei es zu einer Explosion gekommen, die sechs Menschen tötete sowie sechs weitere schwer verletzte.

Insgesamt wurden den Angaben zufolge 2024 global 409 Schiffe verschrottet, 255 davon in Südasien. „Bangladesch bleibt die erste Wahl der Schifffahrtsindustrie für das Verschrotten, trotz gravierender Konsequenzen für Arbeiter, lokale Gemeinschaften und fragile Küstenökosysteme“, teilte Shipbreaking Platform mit. Die NGO mit Sitz in Brüssel setzt sich für sauberes und sicheres Schiffsrecycling ein. Die Organisation bemängelt besonders das sogenannte Beaching, bei dem alte Schiffe auf den Strand gesetzt und unter prekären Umwelt- und Arbeitsschutzstandards zerlegt werden.

Neben Bangladesch fand das Abwracken vor allem in Indien und Pakistan statt, so die NGO. Sie übte ferner Kritik an türkischen Werften, die wegen nicht erfüllter Standards von der Liste der EU-zertifizierten Abwrackeinrichtungen gestrichen worden seien, sowie einem Standort in Kanada. Weitere Verschrottungsländer sind der Aufstellung zufolge unter anderen Dänemark und die USA, [2][nicht aber Deutschland].

Von den Exportländern wurde besonders China kritisiert. Über 50 chinesische Schiffe seien zum Verschrotten nach Südasien verkauft worden. Und das, obwohl die Volksrepublik ein Importverbot für Abfall erlassen habe, eigene Trockendock-Kapazitäten für Schiffsrecycling besitze und Beaching dort verboten sei.

MSC-Reederei fällt besonders negativ auf

Mit Blick auf Unternehmen hob Shipbreaking Platform unter anderen MSC negativ hervor. Die Schweizer Containerreederei erhielt von der Organisation zum zweiten Mal in Folge den Titel des am schlimmsten verschmutzenden Unternehmens, weil 16 Schiffe seiner Flotte 2024 zum Beaching nach Indien gebracht wurden. Eine Anfrage an MSC zur Stellungnahme blieb unbeantwortet.

Im Juni 2025 tritt das Hongkonger Übereinkommen zum Schiffsrecycling in Kraft. Es soll Standards weltweit anheben. Shipbreaking Platform beurteilt es allerdings als schwach. Es bringe „nicht die Lösungen, die für den Wechsel der Branche zu nachhaltigem Schiffsrecycling nötig sind“, so Exekutivdirektorin Ingvild Jenssen. Sie spricht sich dafür aus, dass die im Basler Übereinkommen niedergelegten Prinzipien zu gewährleisten sein sollen. Dieses Abkommen reguliert [3][Abfallexporte] insgesamt und ist bereits in Kraft. Von der EU erwartet die NGO Vorschläge zur Verschärfung der Schiffsrecycling-Verordnung. Sie gilt für bestimmte Schiffe unter einer EU-Flagge.

3 Feb 2025

LINKS

[1] /Entsorgung-auf-Kosten-der-Umwelt/!5272282
[2] /Schiffs-Recycling-in-Deutschland/!6025041
[3] /Abfallexport-nach-Asien/!5939163

AUTOREN

Phillipp Steiner

TAGS

Schifffahrt
Recycling
Bangladesch
Arbeitsbedingungen
Umweltschutz
GNS
Schifffahrt
Meeresschutz
Nordsee
China
Kreislaufwirtschaft
Lieferketten

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Regeln fürs Schiffsrecycling: Gefahrstoffkataster für alte Pötte

Ende Juni tritt ein weltweites Abkommen zum Schiffsrecycling in Kraft. Es soll Arbeiter und Umwelt schützen. Was es in der Praxis ändert, ist fraglich.

Schiffsrecycling in Südasien: Greenwashing mit neuen Regeln

Die Hongkong-Konvention soll Abwracken sicherer machen. Untergräbt sie aber stattdessen sogar bestehende Regelungen? Davor warnt eine NGO.

Schiffskollision vor britischer Küste: Tanker vor englischer Nordostküste in Brand

Zwei große Schiffe stoßen nahe Yorkshire zusammen. Ein Öltanker gerät in Brand, die Küstenwache ist im Rettungseinsatz. Mehrere Menschen vermisst.

In der Plastikhauptstadt der Welt: Made in China

Zwei Drittel der weltweit hergestellten Festtagsdeko kommt aus einer einzigen Stadt in China. Zu Besuch im Weihnachtswunderland des Konsums.

Kreislaufwirtschaft bei Schiffen: Schmilz ein, den Schrott

Schiffe enthalten nützliche Stoffe wie Stahl und Kupfer, Recycling gibt es aber in Deutschland kaum. Eine Traditionswerft will das nun ändern.

Verhandlungen zu UN-Lieferkettengesetz: Globale Regeln für Unternehmen

Die Vereinten Nationen verhandeln über ein verbindliches Abkommen zu Menschenrechten in der Lieferkette. Europa schaut zu, macht aber nicht mit.