taz.de -- Förderung für Heizungsaustausch: Wärmewende lauwarm
Das Bundeskabinett hat das Gesetz für den Heizungsaustausch beschlossen. Verbände kritisieren die Förderung als sozial unausgewogen.
Berlin taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gebäudeenergiegesetz zum [1][Austausch von fossilen Heizungen für klimafreundliche Lösungen] auf den Weg gebracht. Zahlreiche Ausnahmen und ein Förderprogramm für Eigentümer:innen sollen für eine soziale Abfederung der sogenannten Wärmewende sorgen. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden.
„Wir haben Handlungsbedarf“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der gemeinsamen Vorstellung des Gesetzentwurfs mit Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt fast jeder zweite mit Gas, rund jeder vierte mit Öl – was das Klima stark belastet.
Der Entwurf sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Damit dürfen in neuen Gebäuden keine Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden. Für Bestandsgebäude sollen längere Übergangszeiten gelten, außerdem sind Ausnahmen etwa in sozialen Härtefällen vorgesehen. Über 80-Jährige sind von der Austauschpflicht ausgenommen. Defekte Heizungen dürfen repariert werden; bei einem Totalschaden können vorübergehend fossile Heizungen eingebaut werden. Spätestens im Jahr 2045 sollen alle Heizungen mit erneuerbaren Energien laufen.
Zuschüsse, Kredite, Steuergutschriften
Die Bundesregierung will den Heizungsaustausch mit Zuschüssen, Krediten und Steuergutschriften fördern. Ursprünglich wollte Habeck die Förderung nach Einkommen staffeln, damit reiche Eigentümer:innen den Heizungsaustausch selbst finanzieren. Damit konnte er sich in der Bundesregierung nicht durchsetzen. „Wir haben uns nicht darauf verständigen können, eine Einkommensprüfung vorzunehmen“, sagte er.
Bürger:innen mit selbstgenutzem Wohneigentum und Kleinvermieter:innen mit bis zu sechs Wohneinheiten sollen künftig eine Grundförderung von 30 Prozent der Kosten bis zu 60.000 Euro bekommen. Darüber hinaus gibt es unter bestimmten Voraussetzungen sogenannte Klimaboni, mit denen insgesamt bis zu 50 Prozent Förderzuschuss erreicht werden können. Empfänger:innen von Transferleistungen wie Wohngeld, Grundsicherung im Alter, Bürgergeld oder Kinderzuschlag können einen Aufschlag von 20 Prozent erhalten.
10 Prozent bekommen Eigentümer:innen, die ihre Heizung austauschen, auch wenn sie etwa aus Altersgründen dazu nicht verpflichtet sind.
Ebenfalls einen Zuschlag von 10 Prozent bekommen Bürger:innen, wenn sie die Vorgaben übererfüllen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Eigentümer:innen nach dem Totalschaden ihrer Gas- oder Ölheizung bereits innerhalb eines Jahres auf eine klimafreundliche Lösung umsatteln, obwohl ihnen das Gesetz dafür drei Jahre Zeit gibt. Finanziert werden soll die Förderung nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern aus dem Klima- und Transformationsfonds. „Die Summe ist überschaubar“, sagte Habeck. „Das Geld ist vorhanden.“ Zahlen nannte er nicht. Ergänzend gibt es ein Kreditförderprogramm mit zinsgünstigen Darlehen bis 60.000 Euro.
Bei der Förderung bestehe eine „absolute Technologieoffenheit“, sagte Geywitz. Zuschüsse gibt es also nicht nur [2][für Wärmepumpen], sondern auch zum Beispiel für Solarthermie, Holzpellets oder die umstrittenen sogenannten „H2-Ready“-Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden können.
Für Vermieter:innen mit vielen Wohnungen sind – wie bislang – steuerliche Abschreibungen möglich. Darüber werde die Bundesregierung noch mit den Ländern sprechen, kündigte Geywitz an. Ziel sei, dass der Heizungsaustausch warmmietenneutral erfolge, sagte sie. Wie das gelingen soll, ist aber unklar. Das Gesetz sieht zwar vor, dass Vermieter keine Wärmepumpe in nicht-sanierte Häuser einbauen dürfen, weil das die Energiekosten in die Höhe treibt. Es schützt Mieter aber nicht davor, dass Eigentümer die Investitionskosten auf sie abwälzen. Für solche Fragen sei Justizminister Marco Buschmann (FDP) zuständig.
Auf Kritik seitens des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft und der Klima-Allianz Deutschland stößt die Möglichkeit, auch „H2-ready“-Gasheizungen einbauen zu lassen. „Es darf keine Hintertür für neue Gasheizungen geben“, sagte Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik der Klima-Allianz.
Der Geschäftsführer des Wohlfahrtsverbands Der Paritätische, Ulrich Schneider, forderte eine Förderung nach Einkommen und Vermögen. „Positiv an der von der Bundesregierung geplanten Förderung ist, dass soziale Aspekte grundsätzlich berücksichtigt werden“, sagte er. „Doch nach dem ‚Prinzip Gießkanne‘ bekommen auch diejenigen Unterstützung, die sie nicht brauchen, und für Haushalte mit geringem Einkommen und ohne Rücklagen werden die Hilfen im Zweifel nicht reichen.“
19 Apr 2023
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Beim umstrittenen Heizungsgesetz wagt die Grünen-Fraktion einen neuen Vorstoß zur sozialen Abfederung. SPD und FDP befürchten zu viel Bürokratie.
Für eine gelingende Klimapolitik ist die Akzeptanz der Bevölkerung entscheidend. Die Verhaltensforschung liefert hier wertvolle Hinweise.
Die Energieagentur Dena startet ein neues Chef-Findungsverfahren. Nach der Affäre um Staatssekretär Graichen erhebt die CDU weitere Vorwürfe.
Die SPD blockiert eben nicht den Klimaschutz. Sie will aber die Akzeptanz dafür nicht gefährden und denkt deshalb Soziales und Energiewende zusammen.
Ist die Regierung durch ihre Klimapläne schuld daran, dass der deutsche Heizungsbauer Viessmann an einen US-Konzern verkauft wird? Eine Analyse.
Ein US-Unternehmen kauft den Heizungsbauer Viessmann – allerdings nur die Wärmepumpensparte. Hat Deutschland eine vernünftige Förderpolitik verpennt?
Der Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimatechnik-Sparte. Eigentümer der Zukunftstechnologie wird ein US-Konzern, der Klimaanlagen herstellt.
Warum macht die FDP gegen das Heizungsgesetz mobil? Eine Antwort findet sich in einem Diskussionspapier. Doch die Idee hat einen Haken.
Raketen explodieren und Pilze nisten sich vielleicht bald in uns ein. Wenn die Welt untergeht, ist Rauchen und Schwänzen nicht mehr so schlimm.
Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll, muss bis dahin auch klimafreundlich geheizt werden. Warum wird die Förderung nicht nach Einkommen gestaffelt?
Die Förderungen für den Einbau klimafreundlicherer Heizungen sind sozial ungerecht. Denn es fehlt die vom grünen Vizekanzler versprochene soziale Staffelung.
Die Bundesregierung hat sich auf ihr schon lange erwartetes Effizienzgesetz geeinigt. Im Vergleich zu Erstentwürfen hat sie es allerdings verwässert.
Am Mittwoch soll der Entwurf zur Wärmewende in Deutschland vom Kabinett beschlossen werden. Die Opposition fordert sozial gerechte Unterstützung.
Zeitenwende aufgrund der Klimakrise. Aber für mehr Akzeptanz von Maßnahmen müsse die Regierung anders vermitteln, sagt Psychologe Stephan Grünewald.
Die Linkspartei fordert den Austausch von Heizungen ohne Zusatzkosten für Menschen mit wenig Geld. Der Umbau könne nur sozial gerecht gelingen.