taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Aus der Fülle des Nichts

Die neue Echtzeit-Platte von The International Nothing lässt Klarinetten, Atemtöne und Pusten erklingen und das in einer einzigen langen Komposition.
Bild: Statt zum Instrument, greifen The International Nothing auch mal zum Hörer, hier in den USA

Zwei Klarinetten, keine Melodien, viele Nebengeräusche: Beim Berliner Duo The International Nothing ist mehr oder minder klar, was die beiden Echtzeitmusiker Kai Fagaschinski und Michael Thieke an ihren Instrumenten verrichten.

Dass jede neue Platte gleichwohl neue Freuden bereitet, liegt daran, dass auch ein noch so eng gesetzter ästhetischer Rahmen genügend Raum für Variationen lässt. Siehe das allseits beliebt [1][Drone-Duo Sunn O)))].

Wie auf ihrem Album „In Doubt We Trust“ von 2018 haben sich The International Nothing für „Just None of Those Things“ auf eine einzige lange Komposition verlegt. Was kurze Pausen zwischendurch nicht ausschließt, Abwechslung schon gar nicht. Überhaupt ist die Fülle an Klängen bemerkenswert, die sie bei aller Selbstbeschränkung gut 42 Minuten entfalten.

Von dichten Multiphonics, das heißt Mehrklängen mit Obertönen, über reines Pusten, Atemgeräusche, Klappengeklapper und mikrotonale Frequenzreibereien bis hin zu Kombinationstönen, bei denen man aus dem Zusammenspiel zweier bestimmter Töne einen zusätzlichen dritten hervorbringt, offenbart der scheinbar ereignislos gleichbleibende Fluss bei genauerem Hinhören eben doch eine klare Struktur aus verschiedenen Teilen.

Die Grenze von Ton und Geräusch bleibt stets unscharf, diese Unschärfe ist schließlich eines der Dinge, um die die Musik von The International Nothing seit jeher kreist. „Just None of These Things“ feiert die feinen Unterschiede des Wahrnehmens auf nüchtern faszinierende Weise.

26 Feb 2022

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[1] /Neues-Album-von-Sunn-o/!5830762

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Tim Caspar Boehme

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