taz.de -- Zukunft des Hamburger Bismarck-Denkmals: Zankapfel aus Granit

In dieser Woche beginnen die Workshops zur Kommentierung des umstrittenen 34-Meter-Standbilds. Und die sind selbstverständlich auch umstritten.
Bild: Kann weg, sagen in Hamburg manche: Erst mal wird das Bismarck-Denkmal aber saniert

Hamburg taz | Er fraß, sprichwörtlich, Sozialdemokraten und installierte eine gesetzliche Krankenversicherung. Er äußerte Skeptisches zu deutschen Kolonien, richtete aber 1885 die berüchtigte „Berliner“ oder „Kongo-Konferenz“ aus. Dass der Mann nicht frei von Ambivalenzen ist, das sagen sogar die, die sich seinem Andenken verschrieben haben: Vertreter der [1][Otto-von-Bismarck]-Stiftung.

Die Stiftung mit Sitz vor den Toren Hamburgs versteht sich nicht als Heldenverehrungsanstalt, sondern als eine wissenschaftliche Institution. Da scheint es plausibel, wenn ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Ulf Morgenstern von Hamburgs Kulturbehörde eingeladen wird auf ein Podium zur „politischen Person“ Bismarck – neben Expert_innen aus Namibia und Kamerun, Hamburg und Köln.

Was da [2][am kommenden Donnerstagabend] stattfinden soll, ist der – coronabedingt verschobene – erste von vier geplanten Workshops zur [3][Zukunft des Bismarck-Denkmals] am Hamburger Hafen: Der 1906 fertiggestellte Granitkanzler, weltweit größter seiner Art,und seit 1960 denkmalgeschützt, wurde soeben saniert, für gut neun Millionen Euro aus Bundesmitteln.

Er soll aber auch eine Kommentierung erfahren, so hat es Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) [4][immer wieder gesagt]: „Ich hielte es für unerträglich, wenn wir Bismarck nur baulich und denkmalpflegerisch sanieren. Stattdessen müssen wir uns aus unserer jetzigen Perspektive mit diesem Zeugnis unserer Geschichte auseinandersetzen.“ Wie das aber genau aussehen könnte, das soll ja am Ende der Zusammenkünfte sowie einer künstlerischen Ausschreibung feststehen.

Nun hat längst nicht jede_r in der Stadt nachvollziehen mögen, warum der Bund da Millionen steckt in so einen alten Helden vieler Deutscher, der doch reichlich aus der Zeit gefallen wirkt – zumal in seinem Sockel die Nationalsozialisten nochmal eigene Spuren hinterlassen haben: Seit dem Umbau des Sockels zum Luftschutzbunker im Jahr 1939 prangen an den morschen Wänden NS-kitschige Malerei und Bismarck zugeschriebener Durchhaltesprech.

Manche Initiativen haben in der jüngsten Vergangenheit den Abriss des Standbilds gefordert. Wohlgemerkt: Auch solche Stimmen hatte die Behörde in der Vergangenheit zum Mitreden eingeladen; bei einer [5][Runde im November] fand sich etwa der Stiftungsvertreter Morgenstern einer deutlich größeren Zahl an Kritiker_innen gegenüber. (Dass der Moderator einzig ihn nach einem Eröffnungsstatement zu fragen vergaß: Braucht man nicht überzubewerten. Aber passiert ist es.)

Einige der Kritiker_innen davon murrten Ende der Woche nun in Richtung Behörde: Weil die allzu kurzfristig auf den Workshop hingewiesen habe – und „die zivilgesellschaftlichen Inis, die die öffentliche Diskussion angestoßen haben“, diesmal nicht mit aufs Podium bat. „Kritische Fragen und unbequeme Beiträge von Gegner*innen der #Sanierung auf dem Podium unerwünscht?“, fragte sich [6][am Freitag] etwa auf Twitter die [7][Ini „Intervention Bismarck-Denkmal“].

Worauf sie an der Stelle tunlichst nicht hinwies: Am Montagabend veranstaltet auch die örtliche Heinrich-Böll-Stiftung [8][eine Online-Diskussion] zur Zukunft des steinernen Staatsmannes – und bei der sind Kritiker_innen unter sich.

12 Jun 2021

LINKS

[1] /Bismarck/!t5712504
[2] https://zoom.us/j/94373478059
[3] /Denkmalstreit-in-Hamburg/!5740180
[4] /Kultursenator-ueber-Bismarck-Denkmal/!5725542
[5] https://youtu.be/gFBWw7tUi4E
[6] https://twitter.com/Ottovon49795329/status/1403243706510196740
[7] https://twitter.com/Ottovon49795329
[8] https://calendar.boell.de/de/event/was-sollen-wir-nur-mit-bismarck-tun-0

AUTOREN

Alexander Diehl

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