taz.de -- Bessere Gehälter in der Pflege: Umstrittene Pflegereform

Höheres Gehalt und humanere Arbeitsbedingungen für PflegerInnen kosten Geld. Doch wer soll für die Mehrkosten aufkommen?
Bild: Wer finanziert Gehaltserhöhungen und verbesserte Ausstattung für PflegerInnen?

Berlin taz | Wer finanziert Verbesserungen in Entlohnung und Personalausstattung, zahlen die Versicherten mit ihren Beiträgen, die Pflegebedürftigen mit ihren Eigenanteilen oder die SteuerzahlerInnen durch einen Bundeszuschuss? Um diese Frage tobt der Streit, besonders in der Altenpflege.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat am Wochenende ein Pflege-Tariftreue-Gesetz vorgeschlagen, nach dem die Pflegekassen Versorgungsverträge künftig nur noch mit Pflegediensten abschließen könnten, wenn diese ihren Beschäftigten Löhne gewähren, wie sie auch in Tarifverträgen etwa des öffentlichen Dienstes oder in kirchlichen Einrichtungen gezahlt werden. Nach Heils Schätzungen kämen damit die Hälfte der 1,2 Millionen Beschäftigten in der Altenpflege, für die bisher kein Tarifvertrag gilt, künftig in den Genuss einer Gehaltssteigerung von bis zu 300 Euro und mehr im Monat.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) monierte dazu am Montag, zusätzliche Kosten dürften aber „nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen“ gehen. Ein Arbeitsentwurf für ein Gesetz aus dem Hause Spahn sieht auch vor, dass beruflich Pflegende künftig „mindestens nach Tarif entlohnt“ werden sollen. Doch wenn es keinen anwendbaren Tarifvertrag gebe, solle eine „ortsübliche Entlohnung“ gezahlt werden. Das würde bedeuten, dass viele Pflegekräfte kaum mehr verdienen würden als bisher.

Spahn sieht in seinem Gesetzentwurf eine Deckelung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen in Heimen vor. Wer schon länger als ein Jahr in einem Pflegeheim lebt, könnte damit 200 Euro und mehr an Eigenanteilen im Monat sparen. Für die Mehrkosten seiner Pflegereform in Höhe von 6,3 Milliarden Euro jährlich will Spahn unter anderem einen dauerhaften Zuschuss aus Steuermitteln. Spahn wies am Montag daraufhin, dass sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu den Mehrkosten durch eine solche Pflegereform noch nicht eindeutig „verhalten“ hätte.

Die Eigenanteile sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen, auch bedingt durch die Lohnerhöhungen in der Pflege. In Heimen liegt der Bundesdurchschnitt inzwischen bei etwas über 2.000 Euro Eigenanteil im Monat.

Personalmangel und knappes Bettenangebot

In der Altenpflege arbeiten etwa 1,2 Millionen Menschen, davon rund 400.000 bei ambulanten Pflegediensten. In der Krankenpflege sind 1,1 Millionen Menschen beschäftigt. In der stationären Krankenpflege gelten in einigen Bereiche[1][n Personalmindestbesetzungen pro Bett,] was mancherorts das Bettenangebot verknappt, da in Krankenhäusern auch Fachkraftmangel herrscht. Diese Untergrenzen waren in der Coronapandemie aufgrund des Personalmangels zeitweise ausgesetzt worden.

Eine examinierte Fachkraft in der Altenpflege verdient im Mittel rund 3.000 Euro brutto, eine Altenpflegehelferin 2.150 Euro. Eine examinierte Krankenpflegerin bekommt 3.500 Euro brutto (Entgeltatlas, Bundesarbeitsagentur).

3 May 2021

LINKS

[1] /Pflegerinnenmangel-in-Heimen/!5700955

AUTOREN

Barbara Dribbusch

TAGS

Krankenpflege
Schwerpunkt Coronavirus
Pflege
Jens Spahn
Altenpflege
Arbeitnehmer
Geht's noch?
Alten- und Pflegeheime
Sozialversicherung
Ausbildung
Vivantes
Schwerpunkt Coronavirus
Alten- und Pflegeheime
Gesundheit
Pflegekräftemangel

ARTIKEL ZUM THEMA

24-Stunden-Pflege zu Hause: Häusliche Notgemeinschaft

Mindestlohn für die 24-Stunden-Pflege ist nicht die Lösung. Es braucht neue Regeln, die BetreuerInnen, aber auch Pflegehaushalten gerecht werden.

Kritik an Pflegereform: Staat, raus aus dem Uterus!

Die Löhne in der Altenpflege sollen steigen. Bezahlen sollen das unter anderem Kinderlose. Damit fördert der Bund eine Jahrhunderte alte Politik.

Kabinett einigt sich auf Pflegereform: Kritik an Spahns Pflegeplänen

Die Bundesregierung will, dass alle Pflegekräfte nach Tarif bezahlt werden. Privaten Pflegeanbietern gehen die Pläne zu weit, Linken und Grünen nicht weit genug.

Progonose für das Jahr 2040: Sozialbeiträge werden steigen

Die Beiträge, die sich Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern teilen, könnten in den nächsten Jahren steigen. Das geht aus einem neuen Gutachten hervor.

Pflegeschüler in der Pandemie: „In manchen Bereichen Seelsorger“

Die Belastung im Krankenhaus war auch schon vor Corona hoch, sagt Pflegeschüler Leo Endlich. Er wünscht sich den Präsenzunterricht zurück.

Protest der Pflegebranche in Berlin: Keine Kraft mehr

Zum Tag der Pflegenden haben Beschäftigte von Vivantes und Charité den Arbeitskampf organisiert. Sie fordern mehr Personal – und drohen mit Streik.

Prekäre Situation der Krankenpflege: Jenseits der Belastungsgrenze

Seit über einem Jahr arbeiten Pflegekräfte am Limit – und darüber hinaus. Expert*innen warnen vor Massenabwanderungen aus der Pflege.

Kliniken und Heime in Coronakrise: Noch weniger Pflegekräfte

Die Zahl der Pfleger:innen in Deutschland hat während der Coronakrise deutlich abgenommen. Dabei waren viele Kliniken und Heime schon zuvor unterbesetzt.

Reform der Pflegeversicherung: Keine falschen Hoffnungen

Die Eigenanteile in der Pflege sollen gedeckelt werden. Doch das klingt vielversprechender, als es ist. Die geplante Neuregelung hat Tücken.

Pfleger*innenmangel in Heimen: 40 Minuten mehr am Tag

Pflegeheime brauchen mehr Personal, um die Menschen würdig zu versorgen – das bestätigt ein Gutachten. Doch die Umsetzung verzögert sich.