taz.de -- Importe aus Deutschland und den USA: Neue Rüstungsgüter für Saudi-Arabien

Die neue Bundesregierung genehmigt trotz des Jemen-Krieges ein millionenschweres Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien. Auch die USA billigen Militärhilfen.
Bild: Need Peace: Menschen im Jemen wollen Frieden, keine neue Rüstung für Saudi-Arabien

Berlin/Washington dpa/afp/taz | Ungeachtet der Beteiligung Saudi-Arabiens am Jemen-Krieg hat die Bundesregierung die Lieferung von acht Patrouillenbooten an das Königreich genehmigt. Das teilte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags in einem Schreiben mit, das der Deutschen Presse-Agentur und dem ZDF vorliegt. Die Boote werden auf der Lürssen-Werft im vorpommerschen Wolgast gebaut.

Union und SPD hatten sich in den Koalitionsverhandlungen auf einen Exportstopp für alle Länder verständigt, die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligt sind. Es wurde aber ein Bestandsschutz für bereits erteilte Vorgenehmigungen in den Koalitionsvertrag eingebaut.

Diese Klausel wurde jetzt offensichtlich bei den Patrouillenbooten angewendet. Denn Saudi-Arabien ist unbestritten unmittelbar mit Luftangriffen und Bodentruppen am Jemen-Krieg beteiligt. Das mächtige Königreich führt eine Allianz von neun Staaten an, die seit 2015 in dem ärmsten Land auf der arabischen Halbinsel gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft.

Seit der Sondierungsvereinbarung zwischen Union und SPD vom 12. Juni, die bereits den Exportstopp enthielt, hat die Bundesregierung insgesamt drei Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien und dem ebenfalls zur Kriegsallianz zählenden Emirat Kuwait genehmigt. Zusammen haben die drei Exporte einen Wert von 161,9 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid-Nouripour hervor, die der dpa vorliegt. Der größte Teil der Summe dürfte auf die acht Patrouillenboote entfallen.

Der Exportstopp war in den Sondierungsgesprächen von der SPD durchgesetzt worden und war eigentlich als Zeichen einer restriktiven Rüstungspolitik gedacht, im Koalitionsvertrag wurde die Formulierung dann aber so weit aufgeweicht, dass sie Hintertüren für Exportgenehmigungen offen lässt.

Nur zur Grenzsicherung?

Dem Bundessicherheitsrat gehören Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister an, darunter Außenminister Heiko Maas (SPD), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU). Die Entscheidung über das Millionengeschäft mit Saudi-Arabien ist die erste Rüstungsexportentscheidung des nach der Regierungsbildung neu formierten Gremiums. Und es ist eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung überhaupt.

„Die Ankündigung der Bundesregierung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik pulverisiert sich nach nur einer Woche“, sagte der Grünen-Außenexperte Nouripour der dpa. „Saudische Patrouillenboote sichern die Seeblockade und damit die humanitäre Notlage In Jemen ab. Die große Koalition leistet dem nun aktiv Beistand. Das ist eine moralische Bankrotterklärung.“

Die Bundesregierung bestreitet allerdings, dass die Boote für die Seeblockade eingesetzt werden und betont stets, dass sie zur Grenzsicherung vorgesehen seien. „Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse, die Anlass zum Zweifel an dem angegebenen Zweck geben“, erklärte die Regierung erst im Februar auf eine parlamentarische Anfrage.

Auch die Linke kritisiert die Exporte scharf. „Die neue Bundesregierung setzt die verhängnisvolle Aufrüstung der Jemenkriegskoalition fort, als hätte es die Bundestagswahl nicht gegeben“, sagte Außenexperte Stefan Liebich der dpa. „Wenn sich das nicht ändert, sind die Aussagen im Koalitionsvertrag nichts wert. Den Preis dafür zahlt die Zivilbevölkerung im Jemen.“

Rüstungsexporte werden zwei Mal von der Regierung genehmigt: vor der Vertragsunterzeichnung, um dem Unternehmen Planungssicherheit zu geben, und dann endgültig kurz vor der Auslieferung. Dazwischen können Jahre liegen – so wie jetzt auch bei den Patrouillenbooten.

Insgesamt ist die Lieferung von rund 100 der etwa 35 Meter langen bewaffneten Boote im Gespräch. Bis zum August 2017 wurden aber erst drei ausgeliefert. In Wolgast hängen etwa 300 Arbeitsplätze an dem Auftrag aus Saudi-Arabien. Nach den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung darf die Sicherung von Arbeitsplätzen aber nicht relevant für eine Exportentscheidung sein. Es soll ganz nach sicherheitspolitischen Kriterien entschieden werden.

Enge Beziehung zu den USA

Auch die US-Regierung hat Militärhilfen für Saudi-Arabien genehmigt – im Umfang von mehr als einer Milliarde Dollar. Das US-Außenministerium gab am Donnerstag grünes Licht für den Export von Panzerabwehr-Raketen für insgesamt 670 Millionen Dollar (420,5 Millionen Euro), einen Vertrag über Hubschrauber-Instandhaltung mit einem Volumen von 106 Millionen Dollar und für Fahrzeug-Ersatzteile im Umfang von 300 Millionen Dollar.

US-Präsident Donald Trump und der saudiarabische Kronprinz Mohammed bin Salman hatten sich bereits im Mai in Riad getroffen. Nach Angaben eines US-Vertreters waren die Verträge seither in Vorbereitung.

Der Kronprinz hält sich derzeit zu einem Besuch in den Vereinigten Staaten auf. Trump hatte bei einem Treffen am Dienstag von einer „großartigen Freundschaft“ mit dem Königreich gesprochen.

Das langjährige Bündnis beider Länder ist seit Trumps Amtsantritt noch enger geworden – zu den einigenden Faktoren gehört die gemeinsame Gegnerschaft zum Iran, dem Trump eine „destabilisierende“ Rolle im Nahen Osten vorwirft.

23 Mar 2018

TAGS

Saudi-Arabien
Rüstung
Rüstungsexporte
Jemen Bürgerkrieg
Jemen
Rüstung
Waffenexporte
Heckler und Koch
Daimler
Saudi-Arabien
Nato
Außenministerium
Saudi-Arabien
Waffenhandel
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien

ARTIKEL ZUM THEMA

Rüstungsexporte aus Deutschland: Weniger Waffen für die Welt

Deutschland hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Waffen verkauft. Das geht auch auf den Lieferstopp nach Saudi-Arabien zurück.

Bürgerkrieg im Jemen: Deutsche Waffen an beteiligte Staaten

Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf einen Rüstungsstopp an Länder verständigt, die unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind. Das ist nun vorbei.

Aktion gegen Rüstungsexporte: „Für Frieden schwitze ich gerne“

Zwei Wochen lang sind Friedensaktivisten durch Deutschland gerannt. Am Samstag endet die Aktion in Berlin. Staffelläufer Günter Weber zum Hintergrund.

Daimler in der Kritik: Rüstung ist kein Thema

Kritische AktionärInnen werfen Daimler die Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen vor. Die Konzernspitze interessiert vor allem die Bilanz.

Saudischer Kronprinz über Israel: „Recht auf eigenes Land“

Der Kronprinz Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman, gesteht sowohl Palästina als auch Israel das Recht auf ein eigenes Land zu. Notwendig sei ein Friedensabkommen.

Karsamstag: Ostermarsch durch Moabit: Früher war mehr Ostermarsch

Seit den 60er Jahren gehen die Menschen für Frieden und Abrüstung auf die Straße. Natürlich auch in Berlin. Über die Anfänge der Ostermärsche.

Reformideen für das Außenministerium: Vom Mitläufer zum Mitgestalter

In Zeiten außenpolitischer Unsicherheit muss Heiko Maas seine Behörde strategischer organisieren: neues Personal, sicherere IT – die Akten digitalisieren!

Huthis bombardieren Saudi-Arabien: Sieben Raketen abgefangen

Mehrere Flughäfen in Saudi-Arabien wurden von Huthi-Rebellen bombardiert. Trümmerteile von über Riad abgefangenen Raketen töten einen Menschen.

Globaler Waffenhandel hält an: Ausfuhren in Nahen Osten steigen

Waffengeschäfte boomen, auch Deutschland profitiert. Ein Großteil der Exporte geht nach Asien und Ozeanien. Russlands Anteil am Handel schrumpft.

Saudi-Arabiens König entlässt Militärs: Generalstabschef gefeuert

Der Umbau der saudischen Armeeführung hat begonnen. Kurz nach der Eröffnung einer Rüstungsmesse tauscht König Salman mehrere hochrangige Militärs aus.

Waffenexportstopp nach Saudi Arabien: Nicht auf Deutschland angewiesen

Wegen des Jemen-Krieges bekommt Saudi Arabien keine Waffen mehr aus Deutschland. Die dortige Regierung hat dafür kein Verständnis.