taz.de -- Terroranschläge im Fernsehen: Was senden, wenn’s brennt?

Programm unterbrechen? Auf die Nachrichten warten? ARD und ZDF sind vorsichtiger geworden in ihrem Umgang mit Terror-Meldungen.
Bild: Was senden, wenn es nichts zu senden gibt?

Ein leerstehendes Haus am Rande der Stadt wird angezündet, und das große Gerät wird ausgefahren: Rettungskräfte sind es gewohnt, immer wieder den Ernstfall zu proben. In Redaktionen wird in der Regel nicht die große Nachrichtenlage inszeniert, um sich auf die nächste Katastrophe vorzubereiten. Dort stellt sich meist die Frage später: Was tun, wenn es das nächste Mal brennt?

Wer die „tagesschau“-App installiert hat, bekam am Donnerstag die erste Meldung vom Anschlag in Barcelona um 17.26 Uhr aufs Smartphone, das TV-Programm lief weiter. Ebenso im ZDF. Beide Sender haben sich entschieden, die laufenden Programme nicht zu unterbrechen, sondern auf die regulären Nachrichtensendungen um 19 Uhr und 20 Uhr zu warten. Erst am Folgetag zeigten sie einen „Brennpunkt“ nach der „Tagesschau“ und ein „heute journal spezial“ im Anschluss an das Spiel von Bayern München gegen Leverkusen. Ist das angemessen? Die Frage ist nicht neu.

15. Juli 2016, Putschversuch in der Türkei: Im Ersten läuft eine Wiederholung des „Tatorts“, auch das ZDF unterbricht sein Programm nicht. Der ehemalige ARD-Hauptstadtbüroleiter Ulrich Deppendorf twittert zwei Tage später: „Tagesschau24 oder Phoenix müssen endlich 24hNews Channel werden!! Linear, digital und online!!“ Und Claus Kleber schreibt in der Süddeutschen Zeitung, wie schwer es sei, Senderverantwortliche zu überzeugen, das Programm zu unterbrechen.

22. Juli, Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum: Eine Stunde vergeht zwischen der ersten Eilmeldung und der „Tagesschau“, die auf 75 Minuten und eine anschließende Sondersendung ausgedehnt wird. Erst im Laufe der nächsten Stunden wird klar, dass es sich nicht um ein islamistisches Attentat handelt.

19. Dezember 2016, Anschlag am Breitscheidplatz in Berlin: Während n-tv bereits eine knappe Dreiviertelstunde nach den ersten Meldungen auf Sendung geht, wartet die ARD bis 21.15 Uhr und das ZDF auf die reguläre Ausgabe des „heute journals“.

Viel mutmaßen, wenig wissen

Medienkritik ist schon lange Teil des öffentlichen Diskurses geworden. Nach dem Amoklauf von München erreichten die ARD-Zuschauerredaktion zahlreiche Beschwerden. Es wurde kritisiert, dass gesendet wurde, obwohl es wenig gesicherte Informationen gab. Moderatoren und Reporter schienen verunsichert. Im Gespräch mit Terrorexperten wurde viel gemutmaßt, wenig gewusst.

Fernsehen braucht Bilder, um berichten zu können. Die müssen in einer akzeptablen Qualität vorhanden sein – und vor allem auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Nach dem Attentat vom Breitscheidplatz griff n-tv auf die Handyaufnahmen eines Reporters der Berliner Morgenpost zurück. Auch CNN hat bei den Anschlägen von Paris im November 2015 einen Reporter mit seinem Handy filmen lassen. Aber ist das im Interesse der Zuschauer*innen?

Nicht nur die Fakten entscheiden über die Bewertung einer Eilmeldung, sondern auch kulturelle und räumliche Nähe, etwa der Zusatz „Auch Deutsche unter den Opfern“. Die Senderverantwortlichen machen eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Das konnte man nach dem Putschversuch in der Türkei beobachten: Warum die Korrespondenten ins Studio setzen, wenn in der Nacht nur 30.000 Leute einschalten? Aber wer stundenlang im Fernsehstudio die Lage vor Ort einordnen soll, kann im Zweifelsfall auch nur Tickermeldungen kommentieren. Im taz-Interview [1][forderte „ARD-aktuell“-Chefredakteur Kai Gniffke mehr „Mut zur Langsamkeit“]. ARD und ZDF sind vorsichtiger geworden. Gelegenheit zum Üben hatten sie unglücklicherweise genug.

22 Aug 2017

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Amna Franzke

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