taz.de -- Türkischer Wahlkampf im Norden: Erdoğan auf Stimmenfang
In Bremerhaven will eine AKP-Politikerin für Zustimmung zum türkischen Referendum werben. Behörden prüfen ein Verbot. Weitere AKP-Auftritte im Norden stehen an.
Nach dem Auftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu [1][vor einer Woche in Hamburg], stehen weitere Veranstaltungen von AKP-Politikerinnen im Norden an: Die türkische AKP-Abgeordnete Sema Kırcı will am Sonntag erst in Bremerhaven und dann in Nordenham für das türkische Verfassungsreferendum werben. Der Bremerhavener Magistrat prüft derzeit ein Verbot. Auch in Hamburg könnte es ab Sonntag zu weiteren AKP-Werbeauftritten kommen.
Am 16. April wird in der Türkei über eine Verfassungsänderung abgestimmt, die die Machtposition von Präsident Recep Tayyip Erdoğan enorm verstärken würde. Auch die 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland leben, sind wahlberechtigt.
Organisiert wird die Veranstaltung in Bremerhaven von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die als Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP gilt. Der Auftritt Kırcıs ist für 13.30 Uhr im Saray-Saal in der Weserstraße geplant.
Wolfsgruß zur Begrüßung
Welchen Charakter die Veranstaltungen haben könnten, lässt ein Blick auf die Facebook-Seite der Bremer UETD erahnen: Am Mittwoch zeigt [2][gleich das erste Foto auf der Seite einen Mann], der seine Hand zum sogenannten Wolfsgruß erhebt, [3][dem Erkennungszeichen türkischer Nationalisten]. Die rechtsextreme türkische Bewegung „Graue Wölfe“ wird in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Wegen der Bilder auf Facebook wandte sich nun auch das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz an Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) und die Ortspolizeibehörde. Eine Empfehlung, wie nun weiter verfahren werden solle und ob der Auftritt ein Sicherheitsrisiko darstelle, wollte ein Sprecher des Bremer Verfassungsschutzes aber nicht abgeben.
Auch auf Bildern vom Auftritt des türkischen Außenministers in Hamburg waren er und Anhänger zu sehen, wie sie [4][unter anderem den rechtsextremen Wolfsgruß zeigten].
Der Bremerhavener Magistrat reagierte am Mittwoch auf den Hinweis des Verfassungsschutzes zum geplanten Auftritt der AKP-Politikerin. „Der Magistrat ist von der Veranstaltung nicht begeistert, handelt aber nach rechtsstaatlichen Prinzipien“, sagte Volker Heigenmooser, Sprecher der Bremerhavener Verwaltung. Es handele sich bei Kırcıs Auftritt um eine private Veranstaltung, die sich nur verbieten lasse, wenn es baurechtliche Bedenken gäbe. Das hält er allerdings für unwahrscheinlich. Und: „Nach Meinung von Oberbürgermeister Grantz sind Wahlkampfauftrittsverbote bundespolitische Entscheidungen, die nun auf die Länder und Kommunen abgewälzt werden“, so der Sprecher.
Bremer Innensenator: Werbung für Referendum „unerträglich“
Das Bremer Innenressort kündigte an, in einem Sicherheitsmeeting am Freitag zu klären, ob der Auftritt von Kırcı eine „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ darstelle, erklärte Ressortsprecherin Rose Gerdts-Schiffler. „Innensenator Mäurer findet es schier unerträglich, dass in Deutschland massiv für das Referendum geworben wird und die Gegner Angst um ihre Angehörigen haben müssen, wenn sie auf die Straßen gehen“, so Gerdts-Schiffer. Verbote von ausländischen Wahlkampfveranstaltungen seien immer auch außenpolitische Entscheidungen. Deswegen fordere der Senator eine klare Haltung von der Bundesregierung.
Thorsten Raschen, Vorsitzender der CDU-Stadtverordnetenfraktion sieht für den Auftritt hingegen klare Baurechtsverstöße, die die öffentliche Sicherheit gefährden könnten. „In der Weserstraße sind keine Parkplätze vorhanden und es lässt sich nicht abschätzen, wie viele Menschen kommen werden“, sagte Raschen.
Die Bremer Linke fordert eine Absage der Veranstaltung. Wahlkampfhilfe durch die UETD und die AKP sei „inakzeptabel“, so Cindi Tuncel, friedenspolitischer Sprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion. Er fordert, die Bremische Bürgerschaft solle ein Bekenntnis für eine Ablehnung der Präsidialdiktatur abgeben.
Auftritt von AKP-Vize in Hamburg?
Für Hamburg gibt es indes Hinweise des Bundesaußenministeriums, dass die AKP-Vizevorsitzende Nükhet Hotar vom 19. bis 21. März die Stadt besuchen will. Die Innenbehörde habe davon nur inoffiziell erfahren, sagte ein Sprecher zur taz.
Ob Hotar in Hamburg Wahlkampfauftritte für das umstrittene Verfassungsreferendum plane, sei noch nicht bekannt. Daher könne die Sicherheitslage noch nicht abgeschätzt werden, sagte ein Polizeisprecher.
Die UETD hat sich auf Anfragen der taz bis Redaktionsschluss nicht geäußert.
15 Mar 2017
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