taz.de -- Anzeige durch Anti-Atom-Organisation: Die Steuertricks der AKW-Konzerne
EnBW, Eon und RWE sparen an Brennelementen, um von der wegfallenden Steuer zu profitieren – verstoßen aber gegen die Strahlenschutzverordnung.
Freiburg taz | Die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt hat Strafanzeige gegen die AKW-Betreiber EnBW, Eon und RWE erstattet. Ausgestrahlt wirft den Konzernen vor, gegen die Strahlenschutzverordnung zu verstoßen; die Unternehmen missachteten „in eklatanter Weise“ das für die Strahlenbelastung von Mitarbeitern und Bevölkerung geltende Minimierungsgebot.
Hintergrund der Kritik sind die Steuerspartricks der AKW-Betreiber zur Umgehung der Brennelementesteuer. Da diese nach geltendem Recht zum Jahreswechsel ausläuft, haben die Atomfirmen ihre Reaktoren bei den Revisionen in diesem Jahr nicht wie sonst üblich „voll getankt“, sondern sie haben jeweils nur gerade so viele neue Brennelemente eingesetzt, dass diese bis zum Jahresende reichen. Im neuen Jahr sollen dann steuerfrei weitere Brennelemente nachgeladen werden.
Damit entstehe eine „technisch absolut vermeidbare, völlig unnötige zusätzliche Strahlenbelastung“, erklärt ausgestrahlt. Denn bei jedem Öffnen des Reaktordeckels stiegen die radioaktiven Emissionen des AKW „auf ein Vielhundertfaches des sonst üblichen Wertes an.“ Diese Emissionsspitzen stünden im Verdacht, für die erhöhten Kinderkrebsraten in der Umgebung von Atomkraftwerken verantwortlich zu sein. Die Unternehmen setzten „Wirtschaftlichkeit vor Gesundheitsschutz“, sagt Armin Simon, Sprecher von ausgestrahlt.
Auch das Deutsche Atomforum erkennt eine zusätzliche Strahlenbelastung durch den Brennelementewechsel zwar grundsätzlich an, ein Sprecher bezeichnet diese jedoch als „theoretischen Effekt“. Sie sei so gering, dass sie in der Umgebung der Reaktoren „nicht messbar“, also „irrelevant“ seien. Ebenso sagt Christian Küppers vom Öko-Institut in Darmstadt: „Weder für die Bevölkerung noch für das Personal ergeben sich aus dem Brennelementewechsel hohe Strahlendosen.“ Den Vorstoß von ausgestrahlt sieht der Experte für Nukleartechnik und Anlagensicherheit deswegen auch „eher als eine politische Aktion“.
Ausgestrahlt tritt intensiv für eine Verlängerung der Brennelementesteuer über die gesamte Restlaufzeit der Reaktoren in Deutschland ein. Die Steuer war im Jahr 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt und ohne Begründung bis Ende 2016 befristet worden. Am Donnerstag will der Bundestag über die Brennelementesteuer abschließend entscheiden.
12 Dec 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die SPD prüft, ob statt einer Steuer eine Sonderabgabe von den AKW-Betreibern verlangt werden könnte. Die Union schweigt.
Die Bundesregierung hätte verhindern können, dass die AKW-Betreiber Milliarden zurückbekommen. Doch die Atom-Lobby ist zu mächtig.
Unvereinbar mit dem Grundgesetz: So lautet das Urteil der Karlsruher Richter. Die Kraftwerksbetreiber können nun auf Rückzahlungen in Milliardenhöhe hoffen.
Die Folgen der Energiewende haben bei Eon zum höchsten Verlust in der Firmengeschichte geführt. Wenigstens wird nun Klartext geredet.
Eon konnte bei niedrigen Strompreisen nicht mithalten und muss für den Abbau seiner AKW bezahlen. Weil das Geld kostet, will der Konzern Stellen streichen.
Der Ökostromanbieter geht mit seiner Klage gegen das britische AKW Hinkley Point in die nächste Instanz. Der Meiler verzerre den Wettbewerb.
Union, SPD und Grüne sind einig über das Gesetz, das den AKW-Betreibern die finanzielle Verantwortung für ihren Müll abnimmt – obwohl die weiter klagen.
Der schwedische Energiekonzern hält seine Klage vor einem Schiedsgericht auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufrecht.
Karlsruhe verweigert den Atomkonzernen die geforderten Milliarden. Wenn die Politik sich geschickt anstellt, muss sie gar keine Entschädigung zahlen.
Weil 2017 die Brennelementesteuer endet, verzögern Konzerne die Beladung der Reaktoren. Dem Staat entgehen so hunderte Millionen Euro.