taz.de -- Schulz-Nachfolge im Europaparlament: Überall nur Konservative
Schulz war der letzte wichtige Sozialdemokrat in Brüssel. Nun könnte ihm ein CSU-Mann folgen – oder eine konservative Irin.
Brüssel taz | Für Jean-Claude Juncker gibt es keinen Zweifel: Sein Freund Martin Schulz steht für „Stabilität“ in Brüssel und in der EU. Bei jeder Gelegenheit betont der Kommissionschef, wie wichtig ihm die enge Zusammenarbeit mit dem Parlamentspräsidenten ist. In einer schwachen Minute soll Juncker sogar mit Rücktritt gedroht haben, wenn Schulz nach Berlin wechseln sollte.
Doch was soll nun werden, da Schulz tatsächlich geht? Breitet sich jetzt Chaos in Brüssel aus, bricht die Große Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten im EU-Parlament auseinander? Werden vielleicht sogar andere Mehrheiten denkbar, die Juncker und Kanzlerin Angela Merkel das Leben schwer machen könnten?
Nein, beteuert Manfred Weber, CSU-Politiker und Chef der größten Fraktion. Nur zwei Stunden nachdem Schulz seinen Wechsel nach Berlin angekündigt hatte, sicherte Weber einen reibungslosen Übergang zu. Wie zu Beginn der Legislaturperiode mit den Sozialdemokraten vereinbart, soll nun ein Konservativer auf den SPD-Mann Schulz folgen und für Kontinuität sorgen.
„Entscheidend ist jetzt, dass wir diese Stabilität sichern“, so Weber. Es gehe schließlich auch darum, den Einfluss radikaler und extremistischer Abgeordneter einzuschränken, damit sie keinen Einfluss auf wichtige EU-Entscheidungen haben. Genauso hatte auch Schulz seine „GroKo“ in Brüssel begründet. Bis zur nächsten Europawahl 2019 soll die Wagenburg halten.
Jetzt mal eine Frau
Allerdings ist unklar, wen die Konservativen als Schulz-Nachfolger nominieren werden. Die Entscheidung soll erst im Dezember fallen. Der Franzose Alain Lamassoure, die Irin Mairead McGuinness und der Italiener Antonio Tajani laufen sich bereits seit Monaten warm. Zuletzt war aber auch Weber selbst immer öfter als möglicher Kandidat genannt worden.
Allerdings würde damit die deutsche Dominanz im Europaparlament zementiert. Neuerdings häufen sich Klagen, dass die Deutschen alle wichtigen Posten unter sich aufteilen. Zudem fehlt in der Führungsriege eine Frau. McGuinness werden daher größere Chancen eingeräumt. Bisher war sie als Vizepräsidentin für Kommunikation und Presse zuständig.
Wie auch immer die Entscheidung ausgeht, die Sozialdemokraten werden die großen Verlierer sein. Denn nach dem Abgang von Schulz, vermutlich im Januar, werden alle drei großen EU-Institutionen (Kommission, Rat und Parlament) von den Schwarzen geführt werden. Die wirklichen Machtverhältnisse in Europa spiegelt das nicht wider.
Deshalb dürfte es wahrscheinlich schon bald die nächste Personaldebatte geben. Auch Kommissionschef Juncker ist davor nicht gefeit – er gilt als amtsmüde und wirkt ohne Schulz noch einsamer.
25 Nov 2016
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