taz.de -- Krieg in Syrien: Assad schafft Fakten in Aleppo

Beim G-20-Gipfel in China soll es eigentlich auch um einen Waffenstillstand im syrischen Aleppo gehen. Ungeachtet dessen greifen Assads Truppen wieder an.
Bild: Weg – wenn es geht. Weite Teile Aleppos werden von der syrischen Regierung belagert

Damaskus/Hangzhou dpa | – Während die USA und Russland um eine Lösung für ein Ende der Gewalt in Syrien ringen, hat das Regime die Rebellen in der geteilten Stadt Aleppo erneut belagert. Die Einheiten von Machthaber Baschar al-Assad rückten am Sonntag südlich der geteilten Metropole vor und schnitten so den Versorgungskorridor in die Rebellengebiete im Ostteil der Stadt ab, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Damit schafft die Regierung auf dem Schlachtfeld Fakten, die die Verhandlungen zwischen den USA und Russland über eine Waffenruhe in Syrien beim G20-Gipfel in China beeinflussen dürften.

Regimetruppen hatten die Aufständischen im Osten der Stadt bereits Mitte Juli eingekesselt. Einige Wochen später hatte ein islamistisch geführtes Rebellenbündnis vom Südwesten kommend aber den neuen Korridor freigekämpft. Im Ostteil der Stadt sollen sich bis zu 300 000 Menschen aufhalten. Den Menschenrechtsbeobachtern zufolge eroberten die Regimetruppen mit russischer Luftunterstützung eine Akademie der Armee und kappten damit die Verbindung in die Rebellengebiete der Stadt.

Am Rande des G20-Gipfels in Hangzhou in China suchten unterdessen die USA und Russland eine Möglichkeit für ein Ende der Gewalt in dem Bürgerkriegsland. Trotz intensiver Verhandlungen war jedoch vorerst keine schnelle Lösung in Sicht, auch wenn US-Präsident Barack Obama eine Vereinbarung mit Russland nicht ausschloss. Man sei aber noch nicht so weit, sagte Obama am Sonntag. Es gebe noch tiefe Meinungsverschiedenheiten. US-Außenminister John Kerry sagte, er werde am Montag mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow weiterverhandeln.

Obama verteidigt Verhandlungen mit Moskau

„Wenn die Russen nicht Zugeständnisse machen, die Gewalt zu reduzieren und die humanitäre Krise zu lindern, wird es schwierig, die nächste Phase zu erreichen“, sagte Obama. Obama verteidigte die Verhandlungen mit Moskau. „Unsere Gespräche mit den Russen sind der Schlüssel, denn wenn die Russen nicht wären, könnten Assad und sein Regime ihre Offensive nicht aufrechterhalten“, sagte er. Die russische Luftwaffe bahnt mit ihren Angriffen den syrischen Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad den Weg.

Derweil stießen türkische Panzer erneut auf syrisches Gebiet im Norden des Landes vor. Damit will Ankara die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) endgültig von seiner Grenze vertreiben, aber auch die Kurdenmilizen in der Region in Schach halten. Die Militärfahrzeuge unterstützten verbündete Rebellengruppen am Wochenende bei der Eroberung mehrerer Dörfer von den Dschihadisten, berichteten türkische Medien und Aufständische. Ziel ist es, einen etwa zehn Kilometer langen Grenzstreifen unter Kontrolle des IS zu erobern.

Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur DHA drangen mindestens 20 Kampfpanzer, fünf Truppentransporter, andere gepanzerte Fahrzeuge sowie Lastwagen von Elbeyli in der türkischen Provinz Kilis aus am Samstag über die Grenze vor. Der erneute Vorstoß auf syrisches Gebiet nahe der Grenzstadt Al-Rai (türkisch: Cobanbey) sei Teil der Ende August gestarteten Militäroperation „Schutzschild Euphrat“, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu. Die türkische Luftwaffe habe in der Nacht zu Sonntag zudem erneut Angriffe in Syrien geflogen.

Türkei geht weiter gegen Kurden vor

Protürkische Rebellen hatten im Rahmen der Offensive bereits die Grenzstadt Dscharablus und angrenzende Gebiete vom IS sowie weiter im Westen Dörfer bei Al-Rai erobert. Dazwischen kontrolliert der IS nach dem Vormarsch nur noch wenige Dörfer. Mit ihnen würde die Terrormilz ihre einzige direkte Verbindung zur Außenwelt verlieren. Über die Türkei verliefen wichtige Nachschubwege der Extremisten.

Die türkische Armee geht aber auch gegen die Kurdenmilizen der YPG in der Region vor. Sie will vermeiden, dass sie ihre Gebiete südlich der Grenze vereint. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte am Sonntag beim G20-Treffen in China, die Türkei werde niemals einen „Terror-Korridor“ an ihrer Südgrenze zulassen. Seit einigen Tagen herrscht aber faktisch eine Waffenruhe zwischen Kurden und Türken.

Auch in der nordsyrischen Kurdenstadt Kobane überquerten türkische Panzer am Wochenende die Grenze. Sie rückten einige Meter in die Grenzstadt vor, wie die Menschenrechtsbeobachter berichteten. Die Fahrzeuge sollen Baumaßnahmen einer Grenzmauer sichern, gegen die es in den vergangenen Tagen Proteste der Kurden gegeben hatte.

Für den Start seiner Flugzeuge kann Russland nun auch eine iranische Militärbasis nutzen. Das iranische Parlament hat nach Angaben seines Vizepräsidenten keinen Einspruch mehr.

4 Sep 2016

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Aleppo
Baschar al-Assad
Syrischer Bürgerkrieg
Schwerpunkt Syrien
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Moskau
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Amnesty über Massenhinrichtungen: Tausende Tote in syrischem Gefängnis

Saidnaja ist seit Langem berüchtigt. Amnesty hat frühere Wächter, Richter und Insassen des Militärgefängnisses befragt – mit schockierenden Ergebnissen.

IS erneut in der antiken Stadt Palmyra: Noch mehr Zerstörung

Bereits 2015 hatte der „Islamische Staat“ Bauten in der antiken Stadt Palmyra zerstört. Der IS wurde vertrieben, konnte sie jedoch zurückerobern.

Bürgerkrieg in Syrien: Waffenruhe ab Montag vereinbart

Die Außenminister der USA und Russland haben sich auf einen Plan zum Frieden in Syrien geeinigt. Die Assad-Regierung und die syrische Opposition sind mit im Boot.

Syrische Armee in Aleppo: Letzte Versorgungsroute gekappt

Eine islamistische Rebellentruppe ist nun von Versorgungswegen abgeschnitten. Ein Luftangriff tötete außerdem den Anführer eines Rebellenbündnisses.

Streit um Zukunft Syriens: Moskau kritisiert Türkei

Assad muss weg, sagt die syrische Opposition. Boris Johnson fordert Moskau auf, die Unterstützung für den Machthaber aufzugeben. Dort kritisiert man die Türkei.

Türkischer Syrien-Einsatz: Mehr Tote, mehr Angriffe

Die IS-Miliz bekennt sich zu einem Raketenangriff auf türkische Soldaten, bei dem es Tote gab. Die Türkei will nun mit den USA die IS-Hochburg Rakka erobern.

Uno zur Menschenrechtslage in Syrien: Das Gegenteil von Sicherheitsorganen

Der Menschenrechtsbericht fällt düster aus. Der Dissens darüber, wer als Terrorist gilt, verhindert einen tragfähigen Waffenstillstand.

Anschlagsserie in Syrien: Mehr als 40 Tote

Im Badeort Tartus schien der Krieg bisher weit weg. Jetzt erschüttern Anschläge das syrische Ferienparadies. Es ist nicht das einzige Ziel der Bombenleger.

Kommentar G20-Gipfel in Hangzhou: Viel Theater, wenig Fortschritt

Auf dem G20-Gipfel werden nur vorgefertigte Beschlüsse präsentiert. Erfreuliches zu den Krisen in Syrien oder der Ukraine wird es nicht geben.

Nahostexperte über Syrienkrieg: „Demokratie ist dort chancenlos“

Assad ist nur noch dank Russland Präsident, sagt Alexej Malaschenko von der Carnegie-Stiftung. Ein Gespräch über russische Großmachtallüren.

Erinnerungen eines syrischen Flüchtlings: Ein Traum von Aleppo

Aleppo, die Schöne, liegt jetzt in Trümmern. Weite Teile der Stadt wurden zerstört, Menschen sterben qualvoll. Unser Autor erinnert sich.

USA und Russland im Syrienkrieg: Man signalisiert Annäherung

Vielleicht darf Aleppo auf eine Waffenruhe hoffen. Die Außenminister Kerry und Lawrow haben nach eigenem Bekunden den Grundstein dafür gelegt.