taz.de -- AfD in Berlin: Das Blaue vom Himmel
Die Berliner AfD stellt ihren Wahlkampf vor. Sie will die blaue Partei sein und sogar in ihrem Sinne Kriminelle als Wähler haben.
Schwule und Kiffer, Polizisten und Russlanddeutsche – fühlt euch von der Berliner AfD umarmt! Geht es nach dem Berliner Landesverband, sollen sie alle die Rechtspopulisten wählen. Und die ganzen ansonsten Unzufriedenen auch. Dass sie das in ausreichendem Maße tun werden, daran hatte AfD-Landeschef und Spitzenkandidat Georg Pazderski am Donnerstag keinen Zweifel: Er eröffnete die Pressekonferenz zum Wahlkampf seiner Partei mit der Ankündigung, auch über die „künftige Arbeit der AfD im Abgeordnetenhaus“ sprechen zu wollen – dort ist die Partei bisher nicht vertreten.
Natürlich könnte man sagen, dass bei Umfragewerten zwischen 8 und 13 Prozent die Fünfprozenthürde am 18. September Formsache sei. Angesichts der am Donnerstag mehrfach geäußerten Pauschalkritik von Pazderski an der angeblichen Abgehobenheit der „Kartellparteien“ verriet der Einstieg jedoch eine gewisse Arroganz.
Zweistellig werde das Ergebnis schon sein, orakelte der Spitzenkandidat, und dann werde man auf der Oppositionsbank Platz nehmen, wohl zusammen mit der CDU. Auf die Wählerschichten dieser „saft- und kraftlosen“ Partei hat es die Berliner AfD vor allem abgesehen. Etwa, indem sie bei der „mutigen und schlecht bezahlten“ Polizei um Unterstützung wirbt, so Pazderski. 2.000 Stellen zusätzlich soll es für die Polizei obendrein geben. Es ist eine der wenigen konkreten landespolitischen Forderungen im Wahlprogramm. Ansonsten tritt die AfD, die sich als politische Farbe Blau ausgesucht hat, bewusst zurückhaltend auf. Man wolle, wie Pazderski betont, den Berlinern „lieber zuhören, als sie zu belehren“, und nichts versprechen, was nicht umgesetzt werden könne. Die Antipartei also, die alles anders macht als die da oben.
Tatsächlich führt das inhaltlich dazu, dass mit der AfD irgendwie alles möglich zu sein scheint. Was Kinder angeht, lehnt die Berliner AfD die „staatliche Bevormundung bei der Wahl der Betreuungsform ab“ – gleichzeitig ist sie für den Ausbau des Kitaangebots. Ein Widerspruch? Nein, findet Georg Pazderski, es gehe um Wahlfreiheit.
Gaga-Aussage
Von einem der ab Sonntag hängenden Plakate blickt ein vom AfD-Mainstream wohl als Linksgrünversiffter beschriebener junger Mann mit Wollmütze und sagt: „Mein marokkanischer Dealer kriegt sein Leben komplett vom Staat finanziert. Irgendwas ist faul in Deutschland und deshalb wähle ich die Alternative.“
Abgesehen von der Gaga-Aussage setzt sich die AfD, wie Pazderski betonte, für eine Null-Toleranz-Sicherheitspolitik ein, wozu natürlich auch die konsequente Ahndung von „Bagatelldelikten“ wie der Kauf und Konsum von Haschisch gehören. Ein Widerspruch, dass nun ein Drogenkonsument für die AfD wirbt? Natürlich nicht, findet der Spitzenkandidat, vielmehr wolle man eine Diskussion über die vielen, angeblich schon nicht mehr als solche realisierte „Bagatelldelikte“ führen.
Ein weiteres Plakat ist ebenfalls ein ideologisches Zugeständnis an die im Vergleich zu Flächenländern liberalere Hauptstadt. Darauf spricht sich ein schwules Paar pauschal gegen Muslime aus, weil jene angeblich die Lebensweise des Paares als „Todsünde“ ansehen. Homos, die die Rechtspopulisten wählen? „Wir sind mitte-rechts“, sagte Frank Hansel, der auf AfD-Listenplatz vier steht und offen schwul lebt. Keineswegs wolle man zurück in die 1950er Jahre; es müsse normal sein, dass sich „die Leute outen“. Allerdings brauche Deutschland mehr Kinder. Deswegen das klassische Familienbild der AfD, die sich im Wahlprogramm gegen ein Adoptionsrecht von Schwulen ausspricht.
Das Programm gibt es auch auf Russisch und Polnisch, nicht jedoch auf Türkisch oder Arabisch. Immerhin lebten in der Stadt 210.000 Russlanddeutsche, die die AfD als Kernklientel sieht. Türkeistämmige hingegen müssten das Programm auf Deutsch lesen, da sie sich ja integrieren müssten, betonte Pazderski. In diesem Augenblick zeigte der ehemalige Bundeswehroffizier seine wahre Gesinnung. Denn auf die Nachfrage, ob sich Russlanddeutsche nicht integrieren müssten, fand Pazderski keine echte Antwort.
28 Jul 2016
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