taz.de -- Wahlkampf: Michael Müller wird ganz scharf
Die SPD kleistert die zweite Serie von Großplakaten an die Wände. Der Regierende ist jetzt bis ins Detail zu erkennen. Eine kleine Stilkritik.
Michael Müller gibt es jetzt in scharf. Bei der letzten Plakatrunde der SPD stand der Spitzenkandidat noch im Hintergrund herum, als freundlicher, aber verschwommener Beobachter. Wer nicht so genau wusste, wie der sonst eher unauffällige Regierende eigentlich aussieht, musste raten. Nun traut sich Müller in den Mittelpunkt. Auf einem der neuen, großflächigen Poster lacht er so breit, dass die Augen fast verschwinden. Er wird touchy, greift sein Gegenüber am Arm. Man erkennt den Haaransatz und jede Falte. Das ist er also, der Sozialdemokrat, der auch nach Mitte September noch im Roten Rathaus residieren möchte.
Müller zum Anfassen ist eines von fünf neuen Motiven, die die SPD am Freitag vorgestellt hat und die nun drei Wochen an den Plakatwänden der Stadt hängen werden. Nur ein Drittel der 800 Großbilder zeigt den Regierenden – man will ja weiterhin auch die Bürgerinnen und Bürger im Blick behalten. Also albert auf einem Plakat ein Vater mit seinem Kind herum. „Berlin bleibt gebührenfrei“ steht dabei – mit der GEZ hat das nichts zu tun, es geht um die kostenfreie Kita. Auch die Drag Queen Nina Queer hat sich für die SPD ablichten lassen, für die „Freiheit“.
Auf einem anderen Plakat steht eine skeptisch blickende ältere Dame vor einem Zaun. Wirbt Oma Anni jetzt doch für die Sozialdemokraten? Sie posierte ja bereits für die Linkspartei, wählt aber in Wirklichkeit SPD, wie sie fröhlich ausplauderte … Aber nein, es handelt sich um Johanna Penski, eine Schauspielerin, die als Komparsin in unzähligen Filmen eine gewisse Berühmtheit erlangte.
Sie alle sollen „das Zusammenleben in der Stadt“ thematisieren, wie Müller erklärt. Es geht mehr um Gefühle als um Inhalte. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, tragen die Plakate – anders als die erste Bilderserie – jetzt auch das SPD-Logo. Die Partei will noch einmal nachlegen: Anfang September sollen wieder neue Motive geklebt werden.
12 Aug 2016
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die SPD wirbt mit dezenter Unschärfe, die Grünen zeigen Comics und die Linke setzt auf Spaß. Sinnvolle Informationen wären noch besser.
Bei der Debatte um Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün fällt fast unter den Tisch, dass die SPD soeben eine weitere Zusammenarbeit mit der CDU ausgeschlossen hat.
Der Regierende Bürgermeister agiert mit heiklen Bild-Botschaften. Politisch wird er dafür immer klarer: Die CDU ist für ihn kein Partner mehr.
In Berlin brennt ein Bus, in Rostock werden Flugblätter im Fluss versenkt: In beiden Ländern beklagen Parteien Sachschäden wie lange nicht.
Die SPD wirbt für die Wahl mit Plakaten ohne Hinweis auf die Partei und mit einem unscharf fotografierten Regierenden Bürgermeister. Das soll den Alltag wiedergeben.
Die Berliner AfD stellt ihren Wahlkampf vor. Sie will die blaue Partei sein und sogar in ihrem Sinne Kriminelle als Wähler haben.