taz.de -- Kinofilm „The Witch“: Gott macht es ihnen nicht leicht

Robert Eggers’ Film „The Witch“ erzählt von einer puritanischen Familie, die am Rand eines Gespensterwalds Zuflucht findet.
Bild: Thomasin macht einen verhängnisvollen Scherz

So pittoresk unheilschwanger wie in Robert Eggers’ Debütfilm „The Witch“ hat der Wald im Kino seit „The Blair Witch Projekt“ und „Evil Dead“ nicht mehr geraunt. Etwas haust in den verwunschenen Wäldern von New England, an deren Ränder es den gottesfürchtigen Puritaner William und seine Familie nach der Verbannung aus ihrer Dorfgemeinschaft im Jahr 1630 verschlagen hat.

Der letzte Blick aus dem Pritschenwagen fällt zurück auf die sich schließenden Stadttore, der nächste voraus in die Wildnis, deren klammen Grund der Vater auf den Knien küsst. Ehrfürchtig richtet sich der Blick hinauf zum Himmel, aber da hilft auch kein Beten: Der Wald, den die Kinder nicht betreten dürfen, ist verflucht.

Wenn sich die Kamera in einem lauernden, fast kriechenden Tempo auf die Baumkronen zubewegt, schwellen die Choräle im Hintergrund zu dröhnenden Klagegesängen an.

Eine übersinnliche Film

„A New England Folktale“ heißt „The Witch“ im Untertitel; der Abspann erklärt todernst, dass die Geschichte auf Siedler-Tagebüchern, historischen Dokumenten und Gerichtsakten von Hexenprozessen basiert. Einen übersinnlichen Film auf eine historische Faktenlage zurückzuführen ist eine hübsche, fast kokette Idee. So weit hat seinerzeit nicht mal William Friedkin mit seinem Authentizitätsanspruch in „The Exorcist“ gedacht. Aber Eggers legt auf den zeitlichen Kontext seiner Geschichte großen Wert.

Er hat zuvor als Kostümdesigner und Szenenbildner an diversen Kurz- und Langfilmen gearbeitet und diese Erfahrung sieht und hört man „The Witch“ in jeder Einstellung an – bis hin zum schwerzüngigen elisabethanischen Akzent von Ralph Ineson und Kate Dickie, deren theatralische Sprache eine kraftvolle Eleganz besitzt.

Eggers hat seinem Film die Texturen eines period piece verliehen, er erzählt auch etwas über die gesellschaftlichen Verhältnisse im England des frühen 17. Jahrhunderts, aus dem William und seine Frau Katherine verstoßen wurden.

In die Wälder

In der Neuen Welt zwingt der nächste Glaubenskonflikt die Familie in die Wälder. Der Begriff „Korruption“ fällt häufiger im Film, aus dem Mund Williams erhält er eine doppelte Konnotation: als Bruch mit den moralischen Prinzipien der frommen Gemeinde, aber auch als Abkehr der Menschen vom Pfad der Tugend.

William fühlt sich doppelt verraten – von der protestantischen englischen Gesellschaft, von den scheinheiligen Honoratioren seines Dorfes – und darum lässt seine Gottesfurcht ihm keine andere Wahl, als mitsamt seiner Familie die Zivilisation hinter sich zu lassen.

Die kleine Farm, die seine Familie betreibt – abseits des Schutzes der Gemeinschaft, in gefährlicher Nähe zur Schwarzen Magie okkulter Naturreligionen –, ist auch ein Beweis seines unerschütterlichen Glaubens.

Sohn als Opfer

Aber sein Gott macht es William nicht leicht. Erst verdorrt der Mais auf dem Feld, dann verschwindet der Neugeborene Sam vor der Augen der ältesten Tochter Thomasin. Eine von der Dunkelheit des nächtlichen Waldes unkenntlich gemachte Montage aus Andeutungen unaussprechlicher Taten (Blutritual mit Baby) mit der lyrischen Anmutung von Black-Metal-Plattencovern (eine schemenhafte Gestalt vor einem riesigen Vollmond) bestätigt die schlimmsten Befürchtungen des Familienvaters. Sein Gott hat ihm die schwerste Prüfung auferlegt: Soll er wie der biblische Abraham seinen Sohn als Opfer für den Beweis seines Glaubens akzeptieren?

Im Grunde erzählt „The Witch“ also von einer Gemeinschaft, der das Fundament ihres Selbstverständnisses entzogen wird und die darüber dem Wahnsinn verfällt. Diese Geschichte besitzt einen zeitlosen Kern, der sich gesellschaftsdiagnostisch leicht ausdeuten ließe. Umso bewundernswerter, wie kompromisslos Eggers der Epoche seines Films treu bleibt.

Ein boshafter Witz

Die schwach flackernden Bilder simulieren die Lichtverhältnisse des 17. Jahrhunderts so schön wie seit Kubrick nicht mehr, und die sparsamen Horror-Motive fungieren lange nur als Katalysator einer fortschreitenden „Entgesellschaftlichung“ zwischen religiösem Fundamentalismus und Hysterie. Bis sich ein boshafter Witz von Thomasin über ihre vermeintlichen Zauberkräfte gegen das Mädchen wendet – während der gehörnte Ziegenbock mit dem verdächtigen Namen Black Philipp das Treiben der Menschen teilnahmslos beobachtet.

Fast wünscht man sich, dass Eggers die Provenienz des diffusen Unbehagens länger im Dunkeln gelassen hätte. Sein Film würde auch als Historiendrama über die Dämmerung der Epoche der Hexenverbrennungen funktionieren. Aber in gewisser Weise ist der Showdown von „The Witch“, so ironiefrei und schnörkellos wie Eggers seine Geschichte erzählt, nur konsequent. Black-Metal-Fans kommen jedenfalls auf ihre Kosten.

19 May 2016

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Andreas Busche

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