taz.de -- EU-Verträge unterlaufen: EZB-Bankenaufsicht illegal

Ein EU-Gutachten bezweifelt offenbar die Rechtsmäßigkeit der geplanten Bankenaufsicht unter EZB-Führung. Das ist ganz im Sinne der Berliner Politik.
Bild: Schmallippig: EZB-Chef Mario Draghi.

BRÜSSEL dapd | Im Widerstand gegen einen Schnellschuss bei der Bankenaufsicht erhält Berlin Rückendeckung ausgerechnet aus Brüssel. EU-Juristen bezweifeln, dass eine Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) mit den EU-Verträgen vereinbar wäre, berichtet die Financial Times in ihrer Donnerstagsausgabe.

Die Zeitung beruft sich auf ein noch geheimes Rechtsgutachten des EU-Rates. Darin heiße es, der Plan der Kommission für die zentrale Bankenaufsicht überschreite den gesetzlich festgelegten Spielraum zur Änderung der Kompetenzen der EZB. Insbesondere sei es „unmöglich“, ein neues Gremium zu schaffen, das formelle Entscheidungen fällt. Genau das ist das Herzstück des Vorschlags von Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Für die Brüsseler Pläne, so das Fazit, müssten die EU-Verträge geändert werden. Allerdings haben die EU-Juristen eine Hintertür entdeckt: So könne ein neues Gremium zur Bankenaufsicht bei der EZB eingerichtet werden, es dürfe Beschlüsse aber nur „vorbereiten“. Das letzte Wort müsse beim Gouverneursrat der EZB bleiben.

Ein EU-Diplomat bezweifelte gegenüber der Nachrichtenagentur dapd, dass das mutmaßliche Rechtsgutachten das Aus für die Bankenaufsicht bedeute. „Wo ein politischer Wille ist, wird sich auch ein rechtlicher Weg finden.“

Schäuble und die ungelösten Fragen

Der Bericht stärkt die Vorbehalte der Bundesregierung, beim Aufbau der neuen Kontrolle zu schnell vorzupreschen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat mehrfach darauf verwiesen, dass noch viele Fragen ungelöst seien und der vor allem von Spanien, Frankreich und der EU-Kommission erhoffte Startschuss für den 1. Januar 2013 nicht einzuhalten sein werde.

Die Euro-Krisenländer sehnen die Bankenaufsicht herbei, weil diese einen direkten Zugriff ihrer strauchelnden Banken auf Geld des Rettungsfonds ESM ermöglichen soll. Dann könnten sich die Staaten von den Milliardenhilfen für den Finanzsektor befreien und wären viele Schulden los. Wie es mit der Bankenaufsicht weitergeht, darüber wird auch auf dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel gestritten.

Gezankt wird nicht nur innerhalb der Währungsunion. Auch Nicht-Euro-Staaten wie Polen und Schweden haben große Vorbehalte gegen die Aufsicht, wenn sie nicht mitentscheiden können. Tatsächlich würde die aufgezeigte Hintertür der EU-Juristen die Akzeptanz für die Außenseiter erschweren. Denn wenn die Entscheidungen nicht einem neuen Gremium überantwortet werden, sondern letztlich beim Gouverneursrat der EZB landen, hätten sie keine formellen Einflussmöglichkeiten mehr.

Die Europäische Zentralbank lehnte eine Stellungnahme zu dem Zeitungsbericht am Donnerstag ab. Die EZB-Juristen überprüfen aber ebenfalls den Kommissionsvorschlag. Mit Ergebnissen ist in der ersten Novemberhälfte zu rechnen.

18 Oct 2012

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