taz.de -- Finanztransaktionssteuer: Spekulanten müssen blechen

Die EU-Komission hat sich geeinigt. Die Transaktionssteuer für Bank- und Börsengeschäfte kann in zehn EU-Ländern eingeführt werden. Milliardenerlöse werden erhofft.
Bild: Erfolgreicher Protest: die Finanztransaktionssteuer kommt.

BRÜSSEL afp/dapd | Die EU-Kommission hat den Weg für eine Finanztransaktionssteuer in einer Gruppe von mindestens zehn EU-Ländern am Dienstag freigemacht. „Diese Steuer kann den Mitgliedstaaten Milliarden von Euro an dringend benötigten Erlösen einbringen“, bekräftigte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso die Unterstützung Brüssels für diese Lösung.

Eine Abgabe auf Finanzgeschäfte soll die Bankenbranche nicht nur an den Kosten des Kampfes gegen die Schuldenkrise beteiligen, sondern auch Methoden wie den Hochfrequenzhandel bremsen, in dem Kritiker einen Grund für Börsenturbulenzen sehen.

Da im Kreis aller 27 EU-Länder eine Einigung auf die Einführung einer Abgabe auf Bank- und Börsengeschäfte in monatelangen Verhandlungen nicht erreicht wurde, wollen Deutschland und bisher neun weitere Mitgliedstaaten die Steuer künftig im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit erheben.

Dafür sind mindestens neun Länder nötig. Neben Deutschland haben auch Frankreich, Belgien, Portugal, Slowenien, Österreich, Griechenland, Italien, Spanien sowie die Slowakei schriftlich ihre Beteiligung bei der Kommission angemeldet. Die stellte nun fest, dass die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und eine solche Steuer dem europäischen Binnenmarkt sowie den nicht teilnehmenden EU-Ländern keine Nachteile bringe.

Stabilisierung des Finanzsektors

„Es gibt EU-weite Vorteile eine gemeinsamen Finanzstransaktionssteuer, auch wenn sie nicht EU-weit angewendet wird“, sagte der zuständige EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. Neben einer Stärkung des Binnenmarkts trage sie auch zu einem stabileren Finanzsektor bei.

Die nächsten Schritte sind eine Zustimmung aller Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit sowie eine Annahme durch das Europaparlament. Gegen eine EU-weite Steuer hatten sich mehrere Länder heftig gewehrt, darunter etwa Großbritannien, das Nachteile für den Finanzplatz London im weltweiten Wettbewerb fürchtete. Mit einer Blockade durch die Mitgliedstaaten ist aber ebensowenig zu rechnen wie mit einer Ablehnung des Europaparlaments.

Die EU-Kommission hat nun die Aufgabe, einen Vorschlag mit den Details einer Finanzstransaktionssteuer zu erarbeiten. Der soll bis Jahresende vorliegen und sich an den bisherigen Plänen für eine EU-weite Abgabe orientieren. Der gescheiterte Vorschlag der EU-Kommission sah eine Steuer auf Geschäfte mit Aktien und Anleihen in Höhe von 0,1 Prozent und eine Abgabe für den Derivatehandel von 0,01 Prozent vor.

Wohin mit dem Geld?

Die EU-Kommission will prüfen, ob aufgrund der kleineren Teilnehmerzahl Änderungen notwendig sind. Schließlich müssen sich auch die teilnehmenden Länder auf die Details einigen. Offen ist etwa, wer die Erlöse bekommt. Umstritten ist der bisherige Plan der EU-Kommission, die Einnahmen ins EU-Budget fließen zu lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angeregt, die Erlöse in einen Solidarfonds für die Eurozone einzuspeisen.

Ursprünglich hatte die EU-Kommission mit Einnahmen durch eine Abgabe in allen Mitgliedstaaten in Höhe von 57 Milliarden Euro gerechnet. Diese Summe dürfte nun bei Weitem nicht erreicht werden. Frankreichs Europaminister Bernard Cazeneuve äußerte am Dienstag im französischen Parlamentsfernsehsender LCP die Hoffnung auf Einnahmen in Höhe von „vermutlich mehr als zehn Milliarden Euro“.

23 Oct 2012

TAGS

Finanztransaktionssteuer
Europäische Union
EU
Steuern
Finanztransaktionssteuer
Finanztransaktionssteuer
EU-Kommission
Steuergelder
Rettungsschirm
EU

ARTIKEL ZUM THEMA

Finanztransaktionssteuer in Europa: Bremse für Spekulanten

Der Europäische Gerichtshof hat Großbritanniens Klage gegen die Einführung einer Börsenabgabe in elf EU-Staaten abgelehnt. Aber worum geht es eigentlich?

Europäische Finanztransaktionssteuer: Großbritannien klagt

Großbritannien war stets gegen die Finanztransaktionssteuer. Aus Angst um den Finanzplatz London zieht die Regierung nun vor den Europäischen Gerichtshof.

Finanztransaktionssteuer kommt: Brüssel will Börsen bremsen

Einst wurde sie als Hirngespinst von Links-Ökonomen abgetan, jetzt führen elf Euro-Staaten eine Zockerabgabe ein. Doch das Projekt hat Tücken.

Kommentar Finanzspekulationen: Einfach mal verzockt

Steuergeld wird in hochspekulative Finanzgeschäfte investiert. Riskante Wetten sind keine sinnvollen Instrumente der Absicherung.

Spanien im Teufelskreis: Günstige Kredite und neue Sorgen

Das Land steckt in einer Rezession, deshalb steigt die Schuldenquote. Ob der Euro-Rettungsschirm Abhilfe für Spanien schaffen kann, ist fraglich.

EU-Gipfel in Brüssel: Ein, zwei, drei, ganz viele Budgets

Soll die Eurozone eine eigene Kasse bekommen? Und wenn ja, was soll damit bezahlt werden? Darüber wird beim EU-Gipfel heftig gestritten werden.

Schlagabtausch zur Euro-Rettung: Merkel versus Steinbrück

Im Bundestag liefern sich Merkel und Steinbrück ein erstes Rededuell. Der SPD-Kandidat wirft der Kanzlerin „Doppelspiel“ vor. Doch der große Krach bleibt aus.

Kommentar Finanztransaktionssteuer: Ein Kampf, der Mut macht

Die Macht der Bankenlobbyisten ist nicht gebrochen, aber eingeschränkt. Gesellschaftlicher Druck hat die Einigung zur Finanztransaktionssteuer ermöglicht.

Elf Länder stimmen zu: Finanztransaktionssteuer kommt

Elf EU-Staaten stimmen nun einer Finanztransaktionssteuer zu. Damit ist eine wesentliche Hürde genommen. Über die Ausgestaltung und Verwendung herrscht jedoch Uneinigkeit.