taz.de -- Betreuungsgeld beschlossen: Schwachsinniges Gesetz

Nach einer langen Debatte hat Schwarz-Gelb das Betreuungsgeld im Bundestag beschlossen. SPD-Politiker Steinbrück findet die Entscheidung „schwachsinnig“.
Bild: Da freut sich eine aber auf das Betreuungsgeld.

BERLIN dpa | Nach einer harten und hochemotionalen Debatte hat die Koalitionsmehrheit am Freitag im Bundestag das Betreuungsgeld verabschiedet. SPD und Grüne wollen bei einem Wahlerfolg das umstrittene Gesetz als eine der ersten Regierungsmaßnahmen wieder kassieren. Sie kündigten zugleich eine Verfassungsklage an, der sich auch die Linke anschließen will. Die Koalition sieht dagegen nunmehr den Weg frei für „echte Wahlfreiheit“ der Eltern bei der Betreuung ihrer kleinen Kinder.

Für das auch koalitionsintern lange umstrittene Gesetz stimmten 310 der insgesamt 330 Abgeordneten von Union und FDP. Einige waren wegen Krankheit verhindert, andere hatten ihr Nein zuvor offen angekündigt. Gegen das Gesetz votierten 282 Parlamentarier, 2 enthielten sich. Betreuungsgeld sollen ab 1. August 2013 die Eltern bekommen, die ihr Kind im zweiten und im dritten Lebensjahr nicht in eine Kindertagesstätte geben oder eine staatlich geförderte Tagesmutter in Anspruch nehmen. Zunächst sind 100 Euro monatlich vorgesehen, ab 2014 dann 150 Euro.

In der fast zweistündigen Aussprache bezeichnete der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück das Betreuungsgeld als „schwachsinnig“ und gesellschaftlich rückwärtsgewandt. Es werde von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Das dafür vorgesehene Geld gehöre in der Ausbau der Kindertagesstätten.

Das Betreuungsgeld schaffe für Frauen Anreize, nach der Geburt eines Kindes länger dem Beruf fernzubleiben. Das werde ihre späteren Berufschancen mindern. Steinbrück: „Weniger Frauen werden eine eigene Berufsbiografie schreiben, weniger Kinder werden Chancen auf frühe Bildungsförderung haben.“ Das Gesetz führe zurück „in die Biedermeier-Idylle – mit dem Bild vom Vater am Arbeitsplatz und der Mutter daheim am Herd“. Vor der Abstimmung hatte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen, falls es beschlossen werde.

Das neue Gesetz über das Betreuungsgeld macht nach den Worten der CSU-Familienpolitikerin Dorothee Bär jetzt den Weg frei „für Wahlfreiheit der Eltern bei der Betreuung kleiner Kinder“. Ein guter Entwurf sei durch die zum Teil auch kontroversen Debatten innerhalb der Regierungskoalition in den vergangenen Wochen noch besser geworden, sagte Bär. Beim Streit um die Verfassungskonformität des Gesetzes stehe Expertenaussage gegen Expertenaussage, sagte die CSU-Politikerin zu der von der Opposition wie vom Bundesland Hamburg angedrohten Verfassungsklage.

Grünen-Chef Jürgen Trittin hielt der Koalition vor, beim Betreuungsgeld die Ablehnung ihres eigenen Sachverständigenrates wie auch der Wirtschaft zu ignorieren. Gut ausgebildete junge Frauen würden trotz Fachkräftemangels länger vom Arbeitsmarkt ferngehalten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zementiere damit den Umstand, dass Frauen in der Arbeitswelt auf Dauer 25 Prozent weniger verdienten als Männer, sagte Trittin. Auch könne bei bundesweit 220 000 noch fehlenden Kita-Plätzen von Wahlfreiheit keine Rede sein.

9 Nov 2012

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