taz.de -- Kommentar Lebensversicherung: Die Tücken der Privatvorsorge

Statt die Riesterrente auszubauen, sollte sie völlig neu bewertet werden. Doch ein Kurswechsel ist nicht zu erwarten.

Die Versicherungsbranche schreit um Hilfe: Weil die Zinsen auf Staatsanleihen und andere sichere Anlagen sinken, werde es immer schwieriger, die garantierten Zinsen auf Lebensversicherungen zu bezahlen, klagen die Lobbyisten.

In harten Zahlen allerdings schlägt sich das bisher nicht nieder: Die großen Lebensversicherer machen weiterhin hohe Gewinne. Und auch im Finanzministerium ist man lediglich der Meinung, beim schlechtesten Fünftel (!) der Branche könne „nicht ausgeschlossen werden“ (!!), dass „einzelne Unternehmen“ künftig „in Schwierigkeiten geraten können“ (!!!).

Diese sensationell vage Prognose genügt der Politik aber, um der Versicherungsbranche praktisch alle Wünsche zu erfüllen. Nachdem der Garantiezins bereits auf einen historischen Tiefststand ist und die Steuern gesenkt wurden, soll nun auch die Berechnung von Rückstellungen und Überschussbeteiligung zugunsten der Unternehmen – und damit zulasten der Versicherten – verändert werden. Statt gezielt bei jenen Unternehmen zu intervenieren, die möglicherweise Probleme bekommen, gibt es Geschenke für alle.

Was hingegen nicht passiert, ist ein grundsätzliches Hinterfragen der Fixierung auf private Vorsorge. Wenn Lebensversicherungen wirklich kaum mehr Erträge erwirtschaften und die Bedingungen für die KundInnen dadurch schlechter werden, widerlegt das schließlich eindrucksvoll die These von der Überlegenheit privater Altersvorsorge. Das könnte man zum Anlass nehmen, die staatlichen Anreize für die – von der heutigen Opposition beschlossenen – Riester-&-Co.-Renten zu überprüfen, statt sie, wie im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld geplant, auszubauen.

Doch ein solcher Kurswechsel ist nicht zu erwarten – dafür wird mit Versicherungen zu viel Geld verdient. Dass sie daran nichts zu ändern gedenkt, hat die Regierung mit ihrer jüngsten Entscheidung eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

9 Nov 2012

AUTOREN

Malte Kreutzfeldt
Malte Kreutzfeldt

TAGS

Riester-Rente
Lebensversicherung
Altersarmut
Lebensversicherung
Altersvorsorge
Bundesrat
Rente
Betreuungsgeld
Lebensversicherung
Koalition

ARTIKEL ZUM THEMA

Rente und Altersarmut: Geringverdiener sollen mehr sparen

Kleinverdiener sollen mehr „riestern“ oder eine Betriebsrente abschließen – ein neues Gesetz will Anreize dafür schaffen

Bundesregierung schreibt ab: Vorlage von der Versicherungslobby

„Öko-Test“ enthüllt: Das Gesetz zur Auszahlungskürzung von Lebensversicherungen soll Passagen enthalten, die von der Versichungslobby stammen.

Altersvorsorge: „Alte Verträge sollte man halten“

Finanzexperte Tenhagen über die hohen Zinsen bei alten Lebensversicherungen, flexible Beitragsgestaltung und die Vorteile der geförderten Riesterrenten.

Stille Reserven bei Lebensversicherungen: Härtefall mit Überschuss

Die Bundesregierung will Lebensversicherer auf Kosten der Kunden entlasten – trotz üppiger Gewinne. Der Bundesrat blockt ab und ruft Vermittlungsausschuss an.

Renten sollen 2013 steigen: Mehr und weniger im Osten

Die gute Nachricht: Die Rente steigt um ein Prozent. Noch besser: Im Osten werden es vielleicht drei. Zur Westrente fehlt dann immer noch ein ganzes Stück.

Betreuungsgeld beschlossen: Schwachsinniges Gesetz

Nach einer langen Debatte hat Schwarz-Gelb das Betreuungsgeld im Bundestag beschlossen. SPD-Politiker Steinbrück findet die Entscheidung „schwachsinnig“.

Faule Deals mit der Altersvorsorge: Große Lebensverunsicherung

Mit fiesen Tricks reagiert die Versicherungsbranche auf angebliche Probleme durch niedrige Zinsen. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit hilft die Politik kräftig mit.

Ergebnisse Koalitionsgipfel: Praxisgebühr für Herdprämie gestrichen

Union und FDP einigen sich auf Entlastungen für die Bürger im Wahljahr. Die FDP kann dabei punkten. Die Opposition empört sich über derart „teure Wahlgeschenke“.

Kommentar Rentendebatte: Mit Liebe zum Detail

Die Renten von heute sind sicher – die der RentnerInnen von morgen nicht. Trotz und Ignoranz helfen nicht, sondern ein genauer Blick auf die Vorschläge.

Studie über Altersvorsorge: Riester-Rente bringt's nicht

Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Privatvorsorge à la Riester gehört abgeschafft. Die „Zuschussrente“ lehnt sie auch ab.

Kabinett beschließt Pflegezuschuss: „Pflege-Bahr“ wird zerpflückt

Das Kabinett will den 5-Euro-Pflegezuschuss. Für die Opposition „Klientelpolitik“. Sozialverbände zweifeln, dass Geringverdiener sich die Privatvorsoge überhaupt leisten können.