taz.de -- Protest der ukrainischen Opposition: Zehntausende marschieren für Europa
In Kiew fordern Demonstranten die Regierung auf, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben. Vertreter der Opposition wollen zum EU-Gipfel reisen.
KIEW/BERLIN afp/taz | In der Ukraine sind am Sonntag zehntausende Menschen gegen die Abkehr ihres Landes von der Europäischen Union auf die Straße gegangen. Die Demonstranten protestierten in der Hauptstadt Kiew gegen den Beschluss ihrer Regierung, die Vorbereitung eines Abkommens mit der EU auszusetzen. In der Nähe des Ministerrats, des Sitzes der Regierung, setzte die Polizei gegen Demonstranten Tränengas und Schlagstöcke ein.
Die Regierung in Kiew hatte am Donnerstag ein Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt, das in der kommenden Woche bei einem EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius unterzeichnet werden sollte. Stattdessen schlug Kiew Beratungen mit Moskau und Brüssel über Handelsfragen vor. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine zuvor mit Einschränkungen der Handelsbeziehungen gedroht, sollte sich die Exsowjetrepublik enger an die EU binden.
Ebenfalls am vergangenen Donnerstag waren mehrere Gesetzentwürfe, die der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko eine medizinische Behandlung im Ausland ermöglicht hätten, im Parlament durchgefallen. Die Freilassung Timoschenkos ist für die EU eine der Voraussetzungen, um das Assoziierungsabkommen mit Kiew zu unterzeichnen.
Die Demonstranten zogen am Sonntag mit EU-Flaggen und Fahnen ukrainischer Oppositionsparteien zum Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum. Auf Plakaten war die Aufschrift „Wir sind nicht die Sowjetunion, wir sind die Europäische Union“ zu lesen. Der Ort hat seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004 eine besondere Bedeutung.
Oppositionspolitiker geben die Hoffnung nicht auf
Bereits am Freitag hatten rund 3.000 Ukrainer in Kiew gegen die Abkehr ihrer Regierung von der Europäischen Union demonstriert. Mit dabei war auch Boxweltmeister und Oppositionsführer Vitali Klitschko. Auch in anderen Städten gab es Proteste. Eine Redakteurin des Fernsehsenders Business, die über die Proteste berichtet hatte, wurde am Samstag entlassen.
Arsenij Jazenjuk, einer der führenden Oppositionspolitiker, fordert Staatspräsident Wiktor Janukowitsch auf, die Regierung zu entlassen und das Assoziierungsabkommen mit der EU in Vilnius zu unterzeichnen. Jazenjuk kündigte an, dass Vertreter der ukrainischen Opposition ebenfalls nach Vilnius reisen und darum bitten würden, dass die EU die Türen für die Ukraine weiter offen halte. BO
24 Nov 2013
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