taz.de -- Oppositionsführerin in der Ukraine: Timoschenko wagt den Hungerstreik

Julia Timoschenko fordert den ukrainischen Präsidenten auf, das Assoziierungsabkommen mit der EU doch zu unterzeichnen. Dieser ruft die Landsleute zur Ruhe auf.
Bild: Sie lässt einfach nicht locker: Julia Timoschenko – so sah sie 2010 aus.

KIEW afp | Die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko ist am Montag in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Damit will sie nach eigenen Angaben erreichen, dass Präsident Viktor Janukowitsch das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU doch noch unterzeichnet. Janukowitsch rief angesichts der anhaltenden Proteste der Opposition dazu auf, „Frieden und Ruhe“ zu bewahren.

„Ich beginne einen unbegrenzten Hungerstreik, um (Präsident Viktor) Janukowitsch aufzufordern, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU zu unterzeichnen“, hieß es in Timoschenkos Brief, den ihr Anwalt Sergej Wlassenko in Kiew vor rund tausend Anhängern verlas. Der Vertrag sollte eigentlich während des Gipfeltreffens der östlichen Partnerschaft am Donnerstag und Freitag im litauischen Vilnius unterzeichnet werden. Sollte der Präsident dies nicht tun, solle er „auf friedliche und verfassungsmäßige Weise von der Karte der Ukraine gestrichen“ werden, forderte Timoschenko.

Die EU hatte als Bedingung für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen eine Lösung im Fall Timoschenko gefordert. Die ehemalige Ministerpräsidentin war in einem umstrittenen Prozess im Jahr 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Im Gefängnis erlitt Timoschenko einen schweren Bandscheibenvorfall. Deutschen Ärzten zufolge war in Haft eine angemessene Behandlung nicht möglich.

Die EU forderte die ukrainische Regierung daher auf, ihr die Behandlung im Ausland zu erlauben, andernfalls würde sie das geplante Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnen. Ein Gesetz, das Timoschenko die Ausreise zur medizinischen Behandlung erlaubt hätte, lehnte das Parlament in Kiew am Donnerstag jedoch ab. Daraufhin sagte die ukrainische Regierung die für Ende der Woche in Vilnius geplante Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens ab.

Neue Protestwelle

Der Schritt der Regierung löste heftige Proteste der Opposition aus. Am Wochenende gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um Parlament und Regierung zur Rückkehr auf einen pro-europäischen Kurs zu drängen. Dabei kam es auch zu Zusammenstößen. Am Montag belagerten erneut knapp [1][tausend Oppositionsanhänger] den Regierungssitz in Kiew. Die Demonstranten versuchten, in das Regierungsgebäude einzudringen, wurden aber von Polizisten abgewehrt.

Am Abend stieg die Zahl der Demonstranten im Zentrum der Hauptstadt auf etwa 2500 an. Ihnen schloss sich auch der Chef der Oppositionspartei Udar (Schlag), Profiboxer Witali Klitschko, an. In Lwiw, im Westen des Landes, demonstrierten etwa 15.000, in der Nachbarstadt Iwano-Frankiwsk 12.000 Menschen.

Janukowitsch richtete am Abend einen Appell an die Nation. „Ich will Frieden und Ruhe in unserer großen ukrainischen Familie“, sagte der Präsident in einer Video-Botschaft. Bisweilen sei er gezwungen, „schwierige Entscheidungen zu treffen“. Er werde aber „niemals etwas zum Nachteil der Ukraine oder ihres Volkes tun“, fügte er hinzu.

Das Agebot der EU steht noch

Die Demonstranten erhielten unterdessen Rückendeckung aus Brüssel: Das Angebot an die Ukraine, das Partnerschafts- und Handelsabkommen zu unterzeichnen, „ist noch auf dem Tisch“, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Zugleich kritisierten sie den von Moskau auf Kiew ausgeübten Druck.

Die Bundesregierung erklärte, die Tür bleibe für die Ukraine offen. Unter den bekannten Voraussetzungen sei Deutschland weiterhin bereit, das Abkommen zu besiegeln, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

26 Nov 2013

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