taz.de -- Kommentar CSU-Kampagne: Feindbild Roma
Einwanderer sind keine potenzielle Gefahr, sondern ein Gewinn für den deutschen Wohlstand. Die CSU-Kampagne vergiftet das Klima.
Ein Willkommensgruß sieht anders aus. Auf die vollständige Öffnung des Arbeitsmarktes in der EU für Bürger aus Bulgarien und Rumänien, die seit dem Jahreswechsel gilt, antwortet die CSU ausgerechnet mit einer Kampagne gegen angebliche Sozialbetrüger aus anderen EU-Ländern.
Damit stellt sie nicht nur alle Einwanderer aus diesen Ländern unter Generalverdacht. Sie schadet damit auch dem Ansehen Deutschlands, das auf Zuwanderung angewiesen ist. Viele deutsche Krankenhäuser und Altersheime etwa wären ohne Ärzte und Pfleger aus Osteuropa und dem Rest der Welt schon jetzt längst zusammengebrochen.
Dabei ist klar, dass unter den neuen Zuwanderern auch welche sein werden, die womöglich nicht in der Lage sind, sich allein durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren. Um sich auf diese Herausforderung einzustellen, brauchen notorisch klamme Städte wie Duisburg, Dortmund oder Berlin Unterstützung.
Das geht aber auch, ohne Panik vor einer angeblich drohenden Völkerwanderung aus den Armenvierteln Südosteuropas zu schüren. Ziemlich unverhohlen zielt die CSU damit auf weit verbreitete Ängste und Vorurteile gegenüber Roma, die als schwer integrierbar gelten.
Der Grund dahinter ist simpel: In Bayern stehen in diesem Jahr neben der Europawahl im März auch Kommunalwahlen an. Die CSU will natürlich ihre Vorherrschaft behaupten. Aus regionalpolitischem Kalkül ist sie deshalb bereit, eine Menge europäisches Porzellan zu zerschlagen.
Für Angela Merkel wäre es an der Zeit, ein paar deutliche Worte zu sprechen. Sie hat es sich ja mal auf die Fahnen geschrieben, für eine „Willkommenskultur“ zu sorgen, die Einwanderer nicht mehr als potenzielle Gefahr, sondern als Gewinn für den deutschen Wohlstand begreift. Die CSU-Kampagne aber vergiftet das Klima.
2 Jan 2014
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