taz.de -- Kommentar Folterbericht Syrien: Menschenrechte ernst nehmen

Das Rechtsgutachten dokumentiert den syrischen Horror eindrücklich wie nie. Die Menschenrechte waren viel zu lange aus dem Fokus geraten.
Bild: Ein verwundetes syrisches Kind wird nach einem Angriff nahe Aleppo weggetragen

Das Unbeschreibliche bekommt ein Gesicht. Noch nie zuvor wurde der Horror in den Folterknästen der syrischen Regierung so eindrücklich dokumentiert wie in dem jetzt in London veröffentlichten Rechtsgutachten.

Die renommierten Juristen konnten nur einen Bruchteil der zehntausend Fotos analysieren, die ein syrischer Militärfotograf aus den Verliesen des Regimes herausgeschmuggelt hat und die den tausendfachen Foltertod belegen. Doch sie schließen eindeutig, dass die Beweiskraft des Materials für einen Prozess gegen Syriens Regime wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausreicht.

Endlich kann damit die Frage der Menschenrechte wieder an prominente Stelle in der politischen Diskussion über Syriens Zukunft rücken. Es ist längst in Vergessenheit geraten, dass der Volksaufstand gegen die Assad-Diktatur mit dem Protest gegen das Erschießen von Kindern begann und für Syriens Bevölkerung Menschen- und Freiheitsrechte einklagte. Was damals zentral war, darf heute, nach knapp drei Jahren Gewalt und Krieg mit mittlerweile weit über 100.000 Toten und bald 10 Millionen Flüchtlingen, nicht marginal sein.

Das Verbrecherregime in Damaskus hat nicht erst durch seine Kriegstaktik der verbrannten Erde und der systematischen Vernichtung oppositioneller Bevölkerungsteile seine Legitimität verspielt, sondern schon vorher durch seinen brutalen Umgang mit jeder inneren Infragestellung.

2013 führten Chemiewaffenangriffe bei Damaskus dazu, dass Syriens Chemiewaffenarsenale unter internationale Aufsicht gestellt und zwecks Vernichtung ins Ausland gebracht werden. Es war schon damals fragwürdig, dass die Weltgemeinschaft zwar mit Assad über seine Waffensysteme sprach, nicht aber über die Menschen, die damit getötet wurden. Wie wäre es jetzt, Syriens Gefängnisse unter internationale Aufsicht zu stellen und die politischen Gefangenen ins Ausland zu bringen, damit sie am Leben bleiben?

21 Jan 2014

AUTOREN

Dominic Johnson

TAGS

Schwerpunkt Syrien
Gefängnis
Baschar al-Assad
Folter
Ägypten
Schwerpunkt Syrien
Genf II
Genf II
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Macht: Die Ideologie des Westens

Realpolitik ist heute zum Synonym für Machtpolitik geworden. Menschenrechte? Können warten.

Folter-Vorwürfe gegen Assad-Regime: Botschafter räumt Fehler ein

Der Vertreter der syrischen Regierung bei der UN bestätigt, dass es Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen gegeben hat. In Montreux wird weiter verhandelt.

Syrien-Friedenskonferenz in Montreux: Tiefe Gräben in idyllischer Lage

Die Syrien-Gespräche starten mit einer Wutrede des syrischen Außenministers. Zuvor hatten westliche Diplomaten noch Hoffnung verbreitet.

Assad-Gegner reagieren auf Folterbilder: „Wir sterben allein“

Die taz befragte Assad-Kritiker in Syrien nach ihrer Einschätzung zu den Folterberichten. Sie sind wütend, dass das Ausland erst jetzt mit Bestürzung reagiert.

Syrien-Konferenz hat begonnen: „Wunder wird es nicht geben“

Diplomaten aus aller Welt sind zur eintägigen Friedenskonferenz in Montreux zusammengekommen. Schnelle Erfolge in Syrien erwartet jedoch kaum jemand.

Gräueltaten in Syrien: Foltern, aushungern

Ein Polizeifotograf dokumentiert das Leiden in den syrischen Gefängnissen. Sie sind Beweise für die Gräueltaten, die lange bekannt sind.

Folterfotos aus Syrien: Das Grauen in Bildern

Fotos aus Syrien dokumentieren die Folter und Tötung von 11.000 Menschen.

Fotos Gefangener in Syrien: Dokumentation von 11.000 Tötungen

Fotos aus Syrien sollen die systematische Tötung und Folter von gefangenen Rebellen zeigen. Ein ehemaliger Fotograf der Militärpolizei hat sie Medien zugespielt.

Reststoffe syrischer Chemiewaffen: Zur Vernichtung nach Deutschland

Die Reststoffe syrischer Chemiewaffen sollen auch in Deutschland vernichtet werden. Die Verbrennung könnte in Niedersachsen stattfinden.

Erste syrische Chemiewaffen verschifft: Senfgas, Sarin und VX an Bord

Eine erste Schiffsladung syrischer Chemiewaffen wurde außer Landes gebracht. Ihre Vernichtung erfolgt unter UN-Kontrolle. Die Kämpfe im Land gehen indes weiter.